Die Flüchtlingskrise nutzten Anwälte und Mediziner dazu, Asylbewerber abzuzocken. Das behauptet eine Anwältin für Ausländerrecht und beschreibt Einzelfälle. Die Vorwürfe passen ins Bild der Bamf-Affäre.
In der Bamf-Affäre scheinen immer mehr Ungereimtheiten und Vorwürfe ans Tageslicht zu kommen. Nun geraten auch die medizinischen Atteste von Asylbewerbern in den Fokus der Aufmerksamkeit. Die Wiesbadener Rechtsanwältin für Ausländerrecht, Michaela Apel, erhob Vorwürfe gegen Anwaltskollegen und Ärzte. Dem SWR sagte Apel, medizinische Atteste seien teilweise im Schnellverfahren, nach Kurzdiagnose und ohne Dolmetscher verfasst worden.
Die Anwältin berichtet von einem Fall, in dem ein Allgemeinmediziner Diagnosen aus unterschiedlichsten Bereichen erstellte. Ein Kollege habe einen Asylbewerber zuvor zu dem Hausarzt geschickt, damit der ihm in einem ärztlichen Attest verschiedene Krankheiten bescheinige. In dem Attest sei dem Patienten eine posttraumatische Belastungsstörung bescheinigt worden und dass er unter einer akuten Depression leide sowie eine suizidale Gefahr bestehe. Diese Diagnose sei dem Arzt zufolge „gesichert“ gewesen.
100 Euro für Schnell-Attest
Der Arzt, so sagt die Anwältin weiter, habe für dieses „Fünf-Minuten-Attest“ 100 Euro bekommen. In dem Attest schreibe er jedoch, den Patienten regelmäßig gesehen zu haben. Der Anwalt des Flüchtlings habe 300 Euro Vermittlungsprovision bekommen. Die Gesamtkosten von 400 Euro habe der Asylbewerber aufbringen müssen.
Medizinische Atteste spielen in laufenden Asylverfahren häufig eine wichtige Rolle, um die Aussagen von Flüchtenden zu verifizieren. Viele Angaben lassen sich nicht im Detail belegen. Wenn ein Flüchtling aber von erlebten Gewalthandlungen im Krieg berichtet, kann dies durch eine Diagnose vom Arzt gestützt werden, beispielsweise wenn der Patient an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet. Anhand derartiger Diagnosen können die Sachbearbeiter einschätzen, ob die Schilderungen der Wahrheit entsprechen. Ärzte, die Diagnosen manipulieren, können so Asylverfahren positiv beeinflussen.
Auch Dolmetscher unter Verdacht
Zuvor war bereits bekannt geworden, dass auch Dolmetscher und ein Vermittler bestechlich waren. Wie aus einem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Bremen vom 3. April hervorgeht, wird der Bremer Dolmetscher verdächtigt, von Ausländern, die ihm ein zweiter Beschuldigter vermittelte, 500 Euro dafür erhalten zu haben, dass er „falsche Angaben insbesondere zur Identität und den Einreisedaten aufnahm, beziehungsweise übersetzte“. Der Vermittler soll von den Antragstellern angeblich selbst 50 Euro kassiert haben.
Bundesjustizministerin Katarina Barley forderte bundesweite Kontrollen der Asylbescheide. „Ich würde mir wünschen, dass stichprobenartig generell und überall in Deutschland Asylbescheide überprüft werden“, sagte die SPD-Politikerin der „Bild am Sonntag“. „Diese Maßnahme könnte helfen, Vertrauen wiederherzustellen.“ Ein Generalverdacht gegen alle Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge sei allerdings fehl am Platz.