Tübingen – Insgesamt rund 450.000 Asylbewerber wurden in Deutschland abgelehnt. Doch sie werden in Deutschland bleiben, schreibt der Bürgermeister von Tübingen (Baden-Württemberg), Boris Palmer.
Auf Facebook erklärte der Grünen-Politiker: „Wieviele Abschiebungen schaffen wir? 2016 waren es 26.000. Im Jahr 2017 noch 23.000.“ Wenn man annehme, dass nach mittlerweile drei Jahren in Deutschland kaum jemand mehr freiwillig ausreise, dann seien laut Palmer 20 Jahre nötig, um alle 450.000 abzuschieben. Sein bitteres Fazit: „Nach spätestens acht Jahren im Land ist das aber auch rechtlich fast nicht mehr möglich.“
Es müssten also schon mindestens 100.000 Menschen pro Jahr abgeschoben werden. Ist sowas möglich? Nein, schreibt Palmer, denn „es gibt weder die Richter, noch die Polizisten, die Verwaltungsjuristen, die man dafür kurzerhand frei stellen könnte. Der Aufbau einer solchen Abschiebemacht würde selbst vier oder fünf Jahre dauern.“ Bis dahin seien die Fristen abgelaufen.
Und der deutschlandweit bekannte Politiker rede „jetzt gar nicht von falschen Identitäten, Kirchenasyl, Lichterketten, Herkunfsstaaten die ihre Ex-Bürger nach vielen Straftaten bei uns nicht zurück haben wollen und was sonst noch alles im Weg steht, wenn man so rabiat abschieben wollte.“
Palmer geht davon aus, dass die Masse der abgelehnten Asylbewerber im Land bleibe. „Ist das gut? Natürlich nicht. Kann man es ändern? Nein.“
Denn die Entscheidung sei im Herbst 2015 getroffen worden: „Wer eine Million Menschen in kurzer Zeit ins Land lässt, ohne die Papiere zu kontrollieren, hat zwangsläufig hunderttausende Menschen im Land, die keinen Anspruch auf Asyl haben.“ Und er setzt nach: „Das war ein schwerer Fehler.“
Palmers Lösungsansatz für diese verfahrene Situation? „Alle Kräfte, die wir für Abschiebungen haben, müssen auf die 10 Prozent der Asylbewerber konzentriert werden, die wiederholt straffällig werden oder sich als nicht integrierbar erweisen.“ Umgekehrt müsse die Integrationsarbeit den 90 Prozent zugute kommen, „die sich nach Kräften anstrengen, in unserer Gesellschaft Fuß zu fassen“. Boris Palmer nennt das den „doppelten Spurwechsel“.
Und für zukünftige Asylanträge fordert er: „Und natürlich muss es in Zukunft so sein, dass alle Neuanträge so rasch entschieden werden, dass die Abschiebung gelingt, wenn ein Antrag abgelehnt wurde.“ In den Kommentaren erntete Palmer bei weitem nicht nur Zustimmung.
„Warum sollte der steuerzahlende Bürger diese Art der ‚Realität‘ akzeptieren?“, fragte ein User erbost. „Wir MÜSSEN alle abgelehnten Asylbewerber zeitnah abschieben“, forderte ein anderer. „Man kann einiges tun“, begann ein anderer Nutzer und drohte: „Wenn das Leben in Deutschland unangenehm wird, werden sie selber gehen.“
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