Monatelang gab es Streit, jetzt hat der Senat Tatsachen geschaffen: Unter den Augen protestierender Anwohner wurden am Montag in Berlin-Lankwitz mit dem Fällen von etwa 200 Bäumen begonnen. Denn auf dem Areal soll eine Flüchtlingsunterkunft entstehen.
Polizisten, Wachleute und ein Bauzaun stehen um das Gelände mit den hundertjährigen Bäumen. Dahinter wird seit 9 Uhr mit Kettensägen gearbeitet: Auf dem Gelände des 100 Jahre alten privaten Leonorenparks in Berlin-Lankwitz ist am Montag mit dem Fällen von insgesamt 200 Bäumen begonnen worden, damit dort Unterkünfte für Flüchtlinge gebaut werden können.
Es ist ein Tag, an dem keiner jubelt
Rund 30 Anwohner und Unterstützer, darunter eine Bürgerinitiative, protestieren dagegen – unter dem Motto: „Ja zu Flüchtlingsunterkünften, aber Hände weg vom Park“. „Es ist der sechzehnte Baum, den sie hier in 20 Minuten fällen“, so eine fassungslose Zuschauerin der Baumfällaktionen zu rbb|24. „Aufhören, aufhören“, skandiert Hannelore Kühn-Kleeberg, eine Anwohnerin im Rentenalter. Ein weiterer Anwohner findet es „enttäuschend, wenn man sieht, wie der Senat daher kommt und in wenigen Minuten Bäume fällt, die hundert Jahre gewachsen sind“.
„Es ist kein Tag zum Jubeln“, sagt die Sprecherin der Stadtentwicklungsverwaltung, Petra Rohland, die auch vor Ort bei der Fällung der Bäume ist. „Denn immer da, wo Bäume fallen, ist ein Stückchen Natur weg. Aber wir leben in einer Metropole, wo gebaut wird und wo ständig mehr Menschen hinkommen.“ Deshalb brauche man ständig neue Wohnungen. „Und hier brauchen wir eben Wohnungen für Flüchtlinge“, die genau an dieser Stelle entstehen sollen.
In Minuten fallen hundertjährige Bäume
„Das ist Politikversagen“, findet hingegen die Bezirksvorsitzende der Linken im Bezirk Steglitz-Zehlendorf, Franziska Brychcy, die am Montagmorgen bei der Fällung der ersten Bäume zusieht. Einerseits habe der Bezirk versagt, denn „er hätte sicher die Chance gehabt, Eigenbedarf anzumelden“ und die Grünfläche so mit einem Bebauungsplan zu schützen, sagt Brychcy gegenüber rbb|24. Der Bezirk habe lange keine Alternativstandorte für Geflüchtete benannt, daher sei Zeitdruck entstanden. „Nun zu behaupten, dass man die Baumfällung in Lankwitz ja leider nicht verhindern könne, ist scheinheilig.“
Außerdem sei zumindest nicht im Detail geprüft worden, ob die Flüchtlinge auch in den auf dem Gelände vorhandenen alten Gebäuden untergebracht werden könnten, so Brychcy. „Es wurde nur ein Überschlag gemacht, der erbrachte, dass der Abriss der Gebäude zu lange dauern würde, um sofort zu bauen. Und natürlich würde es auch mehr Geld kosten.“
Aktivist Miller schlägt in diesselbe Kerbe: „Alle sagen, das dauert zu lange und kostet soviel“. Tatsächlich aber habe er auch auf Nachfrage von den Behörden kein Gutachten erhalten können. „Keine Grundlage, keine Berechnung, keine Analyse.“
Auch aus der CDU kam Protest gegen die Baumfällungen. In direkter Nachbarschaft zum Park befindet sich ein Grundstück, das Voraussetzungen zum Bau von Unterkünften aufweise, erklärte der Fraktionsvorsitzende Florian Graf. „Bevor nicht eindeutig geklärt ist, ob auch dieses Areal hinsichtlich aller Parameter zur Errichtung der Unterkünfte geprüft worden ist, muss die zuständige Senatorin Lompscher alle Sägen zum Schweigen bringen.“
„Der Park wird verschwunden sein“
Auch die Bürgerinitiative forderte, dass für den Bau der Flüchtlingsunterkunft die Brachfläche neben dem Park genutzt wird. Sie hatte am Donnerstag, direkt nachdem die Genehmigung für die Fällarbeiten erteilt war, beim Verwaltungsgericht einen Eilantrag gegen das Bauvorhaben eingereicht – ohne Erfolg. „Die Bearbeitung wird zwei bis drei Wochen dauern. Dann sind natürlich Tatsachen geschaffen, die nicht mehr reparabel sind“, so ein Mitglied der Bürgerinitiative am Montagmorgen. „Der Park wird verschwunden sein.“ Dagegen protestiere man nun auch während der Fällarbeiten.
Doch schon am Freitag hatte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen mitgeteilt, dass die Bäume trotz der Proteste gefällt werden. Weil es, so die Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, keine alternativen Standorte gegeben habe.
Unterkünfte für 450 Geflüchtete sollen gebaut werden
Im Leonorenpark sollen mobile Unterkünfte für 450 Flüchtlinge entstehen. Die Senatsverwaltung warb um Verständnis bei der Bevölkerung: Immer noch seien etwa 13.000 Geflüchtete in Notunterkünften untergebracht. Deshalb müssten nach wie vor dringend menschenwürdige Gemeinschaftsunterkünfte errichtet werden.
Mit Informationen von Miriam Keuter, radioBerlin, und Friederike Steinberg, rbb|24