Trump setzte mit seiner Aussage „Look what happened last night in Sweden“ ein Perpetuum mobile in Gang, das immer neue Überraschungen liefert. Die schwedische Regierung versucht sich nun zur Image-Pflege an der Widerlegung von Fakten und findet keine glaubhaften Ausflüchte.
von Olga Banach, Stockholm
Trumps Aussage brachte den internationalen Fokus auf schwedische Gesellschaftsprobleme. Die Diskussionen halten an und das schwedische Außenministerium versuchte nun, eine Reihe von Aussagen zu widerlegen, die dem kleinen nordischen Land das Image verderben.
These: „Das erste terroristische Attentat in Schweden liegt nicht weit zurück“
Die Antwort des Außenministeriums fällt kurz und knapp aus:
Der einzig bekannte Anschlag fand im Jahr 2010 statt. Niemand wurde durch den Angreifer verletzt.
Richtig, oder fast. Begrenzen wir zunächst den Terrorismus auf den islamistischen Terrorismus unserer Gegenwart. Nach einer zehnminütigen Vorwarnung an die Polizei via E-Mail, detonierten am 11. Dezember 2010 zwei Bomben in Stockholm. In den E-Mails war die Rede von Vergeltung für die Involvierung schwedischer Truppen in Afghanistan und den schwedischen Krieg gegen den Islam. Das Datum markierte den ersten Selbstmordanschlag in der Geschichte der skandinavischen Länder. Die erste Explosion detonierte von einem Auto aus.
Die zweite Explosion war ein Selbstmordanschlag durch den Attentäter Taimour Abdulwahab al-Abdaly, ein Schwede irakischen Ursprungs. Sechs Rohrbomben trug al-Abdaly an seinem Körper, von denen nur eine explodierte und ihn ins Jenseits beförderte. Fehlfunktionen der Bomben führten zu einem Glück im Unglück, Dutzende hätten bei diesem Anschlag ihr Leben lassen können. Nur zwei Zivilisten wurden leicht verletzt und im Krankenhaus behandelt.
Aber wie sieht es mit terroristischen Attentaten schwedischer Staatsbürger fern der Grenzen aus? Schweden exportiert Terroristen, Ziehkinder des schwedischen Erziehungssystems. Während sich kein europäisches Land von dieser Schuld frei machen kann, steht Schweden an dritter Stelle innerhalb Europas, wenn es um den Export von Kämpfern im Namen des Terrors geht.
Die Statistik verzeichnet rund 300 Kämpfer, die in den vergangenen Jahren den Weg in den Gotteskrieg gesucht haben. Die Terrorismusgefahr in Schweden blendet das Außenministerium ebenfalls aus. Dabei wies ein Bericht darauf hin, dass im Jahr 2017 eine große Gefahr des Terrorismus durch sogenannte einsame Wölfe darstellt. Auf einer Skala von eins (gering) bis fünf (sehr hoch) bleibt die Terrorwarnstufe in Schweden auch 2017 bei drei, der erhöhten Terrorgefahr.
These: „Es gibt eine steigende Zahl von Waffengewalt“
Laut des Außenministeriums gäbe es keinen Grund zur Annahme, dass die Gewalt in Schweden zugenommen habe. Auch lasse sich die Gewalt nicht auf die steigende Zahl der Immigranten zurückführen. Dann aber führt das Außenministerium an:
Studien des „Swedish National Council for Crime Prevention“ zeigen, dass tödliche Gewalt mit Waffen, in Verbindung mit kriminellen Konflikten, zugenommen haben. Die Zahl der bestätigten oder verdächtigen Schießereien waren im Jahr 2014 um 20 Prozent höher als 2006.
Die Aussage wurde damit bestätigt.
These: „Es gibt eine steigende Zahl von Vergewaltigungen“
Hier liefert das Außenministerium eine kuriose Antwort und führt die belegbar steigenden Zahlen auf das schwedische Recht zurück. Wenn ein schwedischer Ehemann seine Frau ein Jahr lang vergewaltigt, so sind dies, nach schwedischem Recht, 365 Einzelfälle von Vergewaltigung, während dies in anderen Ländern als ein Fall geahndet wird. Schweden hat mehr unbegleitete Minderjährige, zumeist männliche Flüchtlinge aufgenommen, als irgendein anderes Land. Man stelle sich nun den afghanischen Flüchtling aus einem Dorf vor, der nicht einmal seine Mutter nackt sehen durfte und nun in Schweden ist.
Dies kann nicht funktionieren. Schweden wird in den kommenden Jahren mit einem Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern kämpfen müssen. “The Local“ liefert Nachrichten in Schweden auf Englisch und widmete sich im Januar dem Thema von Gewalt und Verbrechen in Schweden. Experten wiesen hier richtigerweise darauf hin, dass man nicht die Statistiken eines Jahres betrachten sollte, sondern Trends über einen längeren Zeitraum. Aber auch “The Local“ übt sich darin, ein schönes Bild der schwedischen Heimat darzustellen.
Dabei spricht die Statistik für sich im aufsteigenden Trend der begangenen Sexualstraftaten. Von 2005 bis 2012 lagen die Sexualstraftaten auf einem relativ stabilen Niveau. Zu dieser Zeit wurden rund ein Prozent in der Bevölkerung Opfer von sexuellen Übergriffen. Die vergangenen Jahre zeigen aber einen Anstieg an, bis über die drei Prozent Marke, wobei das Jahr 2016 in dieser Statistik noch nicht aufgelistet ist. Sexualstraftaten umfassen alle Sexualdelikte von leichten Vergehen bis hin zu Vergewaltigungen.
These: „Regierungsinstitutionen vertuschen, dass Flüchtlinge hinter den Gewalttaten stecken“
Hier fehlt es an Studien, die genaue Zahlen liefern, inwieweit Flüchtlinge und Zuwanderer straffällig werden. Mitte Januar forderten daher die Schwedendemokraten und die Zentrumspartei eine genaue Untersuchung. Die Diskussion wurde angeregt, nachdem eine Studie aufdeckte, das Schwedinnen sich unsicherer fühlten. Zuletzt gab es im Jahr 2005 eine Untersuchung zum Zusammenhang zwischen Gewalt und Herkunft. Doch damals war Schweden noch ein anderes Land. Staffan Danielsson, Politiker der Zentrumspartei, die sich fernab einer Anti-Einwanderungsrhetorik bewegt, findet es kontraproduktiv, keine Untersuchung anzustellen. Gegenüber den “SVT-Nachrichten“ sagte er:
Die Menschen glauben, dass die Verbrechen nicht von Schweden begangen werden.
Der Justizminister Morgan Johansson wies ein Gesuch zur Investigation bereits im vergangenen Jahr ab und will auch in diesem Jahr keine Studie angehen. Er denke nicht, dass dies zu einer Verbesserung der schwedischen Gesellschaftslage führe.
Besonders in den kurzen Sommertagen Schwedens im vergangenen Jahr, als die Polizei “Rühr mich nicht an-Bändchen“ an Schwedinnen verteilte, die den sommerlichen Konzerten beiwohnten und nach bekannt gewordenen Vergewaltigungen auf den Festivals angst hatten, gab die schwedische Presse den Anschein, als habe man sich darauf geeinigt, den Hintergrund der Täter zu verschweigen. Die Vorfälle der Silvesternacht in Köln hatten gezeigt, dass das Schweigen und zurückhalten von Informationen den gegenteiligen Effekt haben: die Bevölkerung fühlt sich von Presse und Politik hintergangen und betrogen.
These: „In Schweden gibt es eine Reihe von No-Go-Zonen, wo Kriminalität und Banden die Macht übernommen haben und sich Notfalldienste nicht hineintrauen“
Immer wieder tauchen diese in der Presse auf und es lässt sich schwer gegen die Missstände argumentieren. Das Außenministerium versucht es dennoch. Es bestätigt, dass es 53 Wohngebiete innerhalb Schwedens gäbe, die zunehmend von Gewalt betroffen sind. Auch habe die Polizei hier zunehmend Probleme, diese zu betreten. Es stimme nicht, dass die Polizei sich nicht dorthin begäbe, oder das schwedische Gesetz dort nicht gelte. Es fehlt aber hier an einer Definition der No-Go-Zone. Es gibt viele No-Go-Zonen für Frauen im öffentlichen Raum, wie das Göteborger Nordstan-Kaufzentrum nach Einbruch der Dunkelheit, das dann zum Treffpunkt von Jugendlichen wird, die Zivilistinnen und Ladenbesitzer bedrohen, ausrauben und belästigen. Die Polizei versuchte hier mit zunehmender Präsenz entgegenzuhalten. Das Kaufzentrum ist eine Verbindung zwischen Bahnhof und Innenstadt. Malmö gerät immer wieder in die Presse. Auch RT-Deutsch berichtete über die Gefahrenzone. Die Lösung der schwedischen Regierung liegt in dieser Veröffentlichung:
Die Ursachen dieser Probleme sind komplex und haben zahlreiche Facetten. Um den Trend umzukehren, braucht es an Initiativen der gesamten Gesellschaft, quer durch alle Sparten.
Der Zivilist als Retter?
These: „Die hohe Zahl an Flüchtlingen bedeutet, dass das schwedische System kurz vor dem Zusammenbruch steht“
Positive Stimmen sehen die Möglichkeit eines Booms durch die Flüchtlinge, andere die Wirtschaftskrise. Im Jahr 2015 nahm Schweden 162.000 Flüchtlinge auf, von denen 494 eine Arbeitsstelle fanden. Nachdem die Schweden im September 2015 mit Plakaten durch die Straßen zogen, um Flüchtlinge willkommen zu heißen, führte die schwedische Regierung im Oktober 2016 Grenzkontrollen ein und änderte die Asylregeln, um den Familiennachzug einzudämmen. Was dem Deutschen die “Leitkultur-Debatte“ ist, sind für den Schweden der Schutz der “Schwedischen Werte“, die er fürchtet im Zuge der Neueinwanderer zu verlieren.
These: „Muslime werden in Schweden bald in der Mehrheit sein“
Der Islam als Bedrohung unserer Kultur? Eine irrsinnige und endlose Debatte. Die Formen des Islam sind so vielseitig, wie die unzähligen Arten von Hering, die man in Schweden zu sich nimmt. Die Statistik der gezählten Muslime unter schwedischer Flagge schwankt zwischen 4,6 Prozent bis 17 Prozent.
Es ist niemandem damit geholfen, die Fehler der Politik zu verdecken und die Herausforderungen unserer Zeit nicht in Angriff zu nehmen. “Look what happens tomorrow in Sweden“ sollte das neue Motto sein.
Anmerkung der Redaktion: Der Text war zunächst missverständlich formatiert. Die Zwischenüberschriften sind als in der schwedischen Gesellschaft gängige Narrative zu verstehen, die im Text selbst dann geprüft werden.