Berlin. Es empfängt eine ehemalige Ministerin. Bilkay Kadem, früher Öney, leitet seit November allein den landeseigenen Flüchtlingsheimbetreiber mit dem wenig eingängigen Namen LFG – Betriebsteil B. Die Sozialdemokratin und frühere Grüne saß lange im Berliner Abgeordnetenhaus, ehe sie in Baden-Württemberg Integrationsministerin wurde.
Nun ist sie wieder an der Front der Flüchtlingspolitik, führt 87 Sozialarbeiter, Hausmeister, Betreuer und Psychologen. Am Donnerstag wurde das erste modular errichtete Vorzeigeheim für besonders schutzbedürftige Menschen an der Neuköllner Kiefholzstraße mit Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) und Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) vorgestellt.
Noch sind viele Plätze frei im Haus an der Kiefholzstraße
Ein sachlicher Bau in Grau, drei Aufgänge, drei Stockwerke, zwischen Wagenburg und Kleingartenkolonie. Vor der Tür ein Spielplatz für die vielen Kinder im Haus, Rampen für Rollstuhlfahrer und barrierefreie Wohnungen im Erdgeschoss. Innen Zweibettzimmer, verbunden durch eine Tür, sodass Familien unterkommen können. Regale, Spinde, ein Kühlschrank. Gekocht und gegessen wird in Gemeinschaftsküchen und Nebenräumen. 115 der 215 Plätze sind zwei Monate nach Eröffnung belegt.
Wer hier wohnen darf, entscheidet das Flüchtlingsamt. Nur Geflüchtete dürfen in das 11,8 Millionen Euro teure Bauwerk ziehen. Denn es wurde ohne Bebauungsplan errichtet, nach Flüchtlingsbaurecht, mit dem der Bund die Kommunen in der Krise von langwierigen Planungen entlasten wollte. Um diese und die meisten anderen der sogenannten MUFs (Modulare Unterkunft für Flüchtlinge) auch für andere Wohnungslose nutzen zu können, müssten in den nächsten drei Jahren normale Bebauungspläne die Errichtung legalisieren. „Das müssen die Bezirke machen“, sagte Sozialsenatorin Breitenbach. Nur in einzelnen Unterkünften, die nicht nach Flüchtlingsbaurecht entstanden sind, dürfen schon jetzt auch andere Wohnungslose einziehen, so an der Haarlemer Straße in Neukölln.
Für die meisten MUFs ist das auch mittelfristig vorgesehen: „Das Ziel ist, dass diese Häuser lange stehen bleiben“, sagte Finanzsenator Kollatz. Denn nur wenn sie über 20 Jahre oder mehr für die Unterbringung von Wohnungslosen genutzt werden, amortisieren sich die Investitionen in die Neuköllner MUF und die weiteren geplanten landeseigenen Gebäude. Und nur im mehrjährigen Betrieb seien Kosten von um die fünf Euro pro Kopf und Tag zu erreichen, sagte Finanzsenator Kollatz. Die Sozialsenatorin setzt darauf, Häuser wie das an der Kiefholzstraße später für Behinderte oder als Domizile für Wohnungslose nutzen zu können: „Wir haben viel zu wenige Trägerwohnungen.“ Die Botschaft der beiden Politiker ist klar: Sie wehren Anliegen von Kritikern ab, die angesichts von vielen leer stehenden Betten den Verzicht auf den Bau weiterer MUFs verlangen.
Dass 3300 Plätze derzeit nicht belegt sind, habe verschiedene Ursachen. Oft werde saniert. Dann sei es eben nicht immer möglich, alle Betten zu verteilen, wenn etwa eine dreiköpfige Familie in zwei verbundenen Doppelzimmern wohne. „Wir wissen ja nicht, wer kommt“, sagte Breitenbach. Außerdem benötige Berlin eine Reserve für Menschen, die etwa durch Familiennachzug oder als humanitäre „Kontingentflüchtlinge“ neu in die Stadt kämen.
Landesbetrieb dient als Reserve für Heimbetrieb
Der Finanzsenator verteidigte die schon in der letzten Legislaturperiode vorbereitete Entscheidung, als Land selbst Flüchtlingsunterkünfte zu bauen. Nur so komme man aus der Abhängigkeit von privaten Betreibern heraus, die gleichzeitig auch Immobilienbesitzer sind. Bisweilen hätten solche Firmen 50 Euro pro Tag und Person aufgerufen.
Kollatz und Breitenbach präsentierten in Neukölln aber nicht nur den neuen Typ MUF, sondern auch den neuen Landesbetrieb, der nach Hamburger Vorbild entstand. Neben dem Betrieb von jetzt fünf Heimen stellen Bilkay Kadems Mitarbeiter eine Reserve, mit der Berlin tätig werden kann, sollten sich Betreiberverträge mit Privaten verzögern.
Das geschieht relativ oft. Denn das Flüchtlingsamt LAF hat immer noch Schwierigkeiten mit seinen Ausschreibungen. Wenn ein unterlegener Bieter klagt, verzögert sich die Vergabe. „Es ist nicht spaßig, wenn eine Unterkunft technisch fertig ist und wir sie ein halbes Jahr nicht belegen können“, schilderte Kollatz das bisherige Dilemma. Künftig soll in solchen Fällen das landeseigene Personal eingreifen, das Haus öffnen und es nach Abschluss des Rechtsstreits an einen privaten Betreiber übergeben.
Fünf Heime
Das jüngste Mitglied in den Reihen der städtischen Unternehmen widmet sich der Flüchtlingsunterbringung. Der Landesbetrieb für Gebäudebewirtschaftung – Betriebsteil B mit 87 Mitarbeitern verfügt über fünf Heime mit zusammen 1500 Plätzen. In Buch und Neukölln sind es neu gebaute Modularbauten, in Hellersdorf eine ehemalige Schule, in Grünau ein altes Bürohaus und in Altglienicke ein Containerdorf. Geleitet wird der Betrieb von Bilkay Kadem.