Noch immer nutzen Schleuser die griechischen Inseln, um Migranten in die EU zu bringen. Wie aus einer vertraulichen Analyse der Bundespolizei hervorgeht, wird sich daran auf absehbare Zeit nichts ändern.
300 bis 1000 Dollar kostet die Überfahrt nach Europa. Pro Kopf. An der türkischen Westküste zwängen Schleuser bis zu 40 Migranten in ein einzelnes Schlauchboot, kassieren die Menschen ab und zeigen ihnen den Kurs, den sie halten sollen. Meist gehen die Schleuser nicht mit an Bord, die Fahrt ist ihnen wohl zu risikoreich. In drei Viertel der bekannt gewordenen Fälle steuern die Außenborder dann die griechischen Inseln Lesbos oder Samos an, wie nach SPIEGEL-Informationen aus einer vertraulichen Analyse der Bundespolizei hervorgeht.
Demnach reisten im vergangenen Jahr etwa 32.000 Menschen über die griechischen Inseln illegal in die Europäische Union (EU) ein. Sie kamen der Analyse zufolge vor allem aus Afghanistan, Syrien und dem Irak. In den ersten neun Wochen des Jahres 2019 landeten nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden bereits 3500 Migranten auf den griechischen Inseln an. Es zeichnet sich demnach ab, dass inzwischen immer mehr Afghanen diesen Weg nach Europa wählen. 2017 waren es überwiegend Syrer, die sich aus der Türkei über das Meer nach Griechenland durchgeschlagen hatten.
Griechenland „eines der wichtigsten Drehkreuze illegaler Migration“
Derzeit befinden sich der Analyse zufolge etwa 15.000 Flüchtlinge auf den griechischen Inseln. Der überwiegende Teil der Menschen hält sich auf Lesbos, Samos, Chios, Kos und Leros auf. Fast täglich, so heißt es in dem Bericht, würden Migranten auf das griechische Festland gebracht. Das wirke „als wesentlicher Pull-Faktor für die illegale Migration aus der Türkei auf die griechischen Inseln der Ost-Ägäis“, analysieren die Beamten.
Schon im vergangen Jahr hatte die Bundespolizei in einem vertraulichen Bericht Griechenland als „eines der wichtigsten Drehkreuze illegaler Migration“ und „einen Brennpunkt der Schleusungskriminalität“ innerhalb Europas bezeichnet. Daran hat sich nichts geändert, im Gegenteil: Die Zahlen der Migranten, die an den Stränden griechischer Inseln anlanden, sind im vergangenen Jahr noch einmal gestiegen.
Die Schlepper wählen der Analyse zufolge bewusst die griechischen Inseln aus, deren Aufnahmezentren für Flüchtlinge überfüllt sind. Von dort aus würden die Menschen schnell aufs Festland gebracht. Im vergangenen Jahr waren das demnach fast 30.000 Personen. Der Transport auf das Festland eröffne den Migranten dann „die Möglichkeit der einfacheren Weiterreise nach Westeuropa“, so die Bundespolizei.
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Socrates Baltagiannis
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Häufig werden dazu Papiere verwendet, die andere, in Europa bereits anerkannte Asylbewerber vorher verkauft haben. Mit ihnen können die Menschen ohne weitere Grenzkontrollen nach Stockholm, Frankfurt oder Amsterdam fliegen. In sehr vielen Fällen sei Deutschland das Zielland derer, die über die griechischen Inseln in die EU eingereist seien, konstatiert die Bundespolizei.
Die Beamten prognostizieren, dass künftig noch mehr Menschen auf diesem risikoreichen Weg nach Europa kommen werden. In der Türkei leben derzeit mehr als drei Millionen Schutzsuchende.
„Eine nachhaltige Lageverbesserung in Bezug auf das Transitland Griechenland“, so heißt es in dem vertraulichen Dokument der Grenzschützer, „würde voraussetzen, dass den angezeigten Entwicklungen konsequent entgegengewirkt wird“. Doch das ist nicht der Fall.