Eine mögliche oder gar tatsächliche Krankheit ist bei Spitzenpolitikern keine reine Privatangelegenheit – dafür gibt es in der Geschichte viele Beispiele. Was heißt das mit Blick auf das Zittern der Kanzlerin?
ie Gesundheit von Spitzenpolitikern ist keine reine Privatsache. Das wissen besonders jene, von denen die Weltpolitik abhängt. Ihre Gesundheit ist identisch mit der Handlungsfähigkeit ihrer Regierung und der Stabilität ihres Landes.
US-Präsident Franklin D. Roosevelt hielt lange eine Krebserkrankung geheim. John F. Kennedy tat dasselbe mit seinem Rückenproblem, Willy Brandt mit seinen Depressionen, und Helmut Schmidt oder Hans-Dietrich Genscher versuchten ihre zahlreichen Krankenhausaufenthalte aus den Medien zu halten.
Denn wenn solche Dinge publik werden, kommt sofort die Frage auf: Wer regiert wirklich? Wer nutzt solche Schwäche aus? Sind Mehrheiten gefährdet, weil Menschen das Vertrauen in die Durchsetzungsfähigkeit der Spitze verlieren – Mehrheiten in einem Bundesland, im Europäischen Rat, in der Weltpolitik?
Eine mögliche oder gar tatsächliche Krankheit an der Spitze ist ein politischer Faktor. Als Leonid Breschnew Mitte der 70er-Jahre in Demenz erstarrte, erstarrte mit ihm die ganze Sowjetunion, und andere übernahmen hinter den Kulissen das Ruder; es heißt, ein gesunder Breschnew hätte Anfang 1979 den Einmarsch in Afghanistan verhindert. Helmut Kohl blieb im September 1989 trotz einer Kolik auf dem Podium eines CDU-Parteitages sitzen, weil er wusste, dass seine Gegner ihn stürzen wollten. Hätte er das Podium verlassen, hätte es wie eine Kapitulation aussehen können.
Erich Honeckers Krankheit im Sommer 1989 lähmte die SED im entscheidenden Augenblick. Das Machtvakuum endete im Mauerfall. Im Rennen um die US-Präsidentschaft 2016 machte Donald Trumps Lager Wahlkampf gegen Hillary Clinton auch mit dem Verweis auf ihren damaligen Schwächeanfall.
Angela Merkel hat bereits im November 2016 gesagt, der Entschluss, noch einmal zu kandidieren, sei „alles andere als trivial“, auch „für mich persönlich“. Es gehe um vier Jahre, „wenn, aber das gilt ja immer, die Gesundheit es zulässt“. Das war eine überraschende Formulierung der Bundeskanzlerin, von der bis dahin öffentlich nur ein Skiunfall Anfang 2014 bekannt war.
Einfach zurücktreten geht in der Politik aber nicht. Nachfolgefragen werden im ungeeigneten Zeitpunkt sofort zu Machtfragen, die in politische Instabilität münden können. Spitzenpolitiker freuen sich wie jeder über Gesundheitswünsche.
Aber sie tragen eine Verantwortung, die eiserne Selbstdisziplin einschließt. Dazu gehören Dementis, die bestreiten, was scheinbar, aber eben nur scheinbar, für alle sichtbar ist.