Polizei und Justiz haben Probleme mit der Bekämpfung krimineller Großfamilien in Berlin. Ein Migrationsforscher erklärt, warum.
Nach der Razzia gegen Mitglieder einer mutmaßlich kriminellen arabischen Großfamiliesitzen acht Verdächtige in Untersuchungshaft. Ein Richter habe die Haftbefehle bestätigt, sagte am Mittwoch ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Im Interview mit der Berliner Morgenpost erklärt der Migrationsforscher Ralph Ghadban, warum Polizei und Justiz Probleme bei der Bekämpfung von kriminellen Clans haben.
Berliner Morgenpost: Herr Ghadban, mit der Razzia in dieser Woche sind arabische Clans wieder in den Fokus gerückt. Von wie vielen Familien müssen wir ausgehen in Berlin?
Ralph Ghadban: Von etwa einem Dutzend Clans.
Aber es ist ja ein altes Problem. Wie weit reicht das zurück?
Am 13. April 1975 brach der Bürgerkrieg im Libanon aus. Einige Monate später tauchten die ersten Flüchtlinge in Berlin auf und brachten ihre Clan-Strukturen mit.
Wer hat da Fehler gemacht in der Vergangenheit?
Die Politik. Ab 1978 wurde das Asylrecht ständig verschärft und die Flüchtlinge wurden an den Rand der Gesellschaft gedrängt, wo sie ihre Clan-Strukturen pflegten und verfestigten. Eine Integration, die dies vermieden hätte, wurde nicht betrieben und war nicht gewollt.
Würden Sie sagen, es gibt No-go-Areas in Berlin? Wenn ja, wo lokalisieren Sie diese?
In den Gegenden, wo viele Clan-Mitglieder wohnen wie in Kreuzberg und Neukölln, ist es ratsam, sich mit ihnen nicht anzulegen. Selbst die Polizei wird dort in ihrer Arbeit massiv beeinträchtigt.
Woher kommt der Hass und das hohe kriminelle Potenzial?
Das ist auf die Clan-Strukturen zurückzuführen, die die Solidarität der Gruppe stärken. Die Clan-Mitglieder betrachten alles außerhalb ihres Clans als Feindesland, wo sie ihre Raubzüge durchführen. Für diese aggressive Haltung pflegen sie den Hass gegen ihre Opfer und verachten alles Deutsche.
Warum tun sich Polizei und Justiz so schwer damit, gegen kriminelle Großfamilien vorzugehen?
Lange hat die Politik das Problem der Clans nicht sehen wollen. Es herrschte ein falsches Verständnis des Respekts der Kulturen und die Justiz hat auch in diesem Sinne ein falsches Verständnis der Toleranz entwickelt. Die Polizei, die mit dem Problem konfrontiert war, sah das Problem, wurde aber von Politik und Justiz im Stich gelassen.
Welche Lösungsansätze sehen Sie?
Die verstorbene Jugendrichterin Kirsten Heisig hat mit ihrem sogenannten Neuköllner Modell den richtigen Ansatz gefunden. Dieser Ansatz muss weiterentwickelt werden. Er besteht aus der engen Zusammenarbeit der Beteiligten, also Polizei, den Jugendämtern, der Schule, den Sozialämtern und der Justiz, die sich mit der Thematik beschäftigen. Ein großes Problem dabei ist der Datenaustausch. Der stellt aus Gründen des Datenschutzes bis jetzt ein Haupthindernis für eine effektive Zusammenarbeit dar. Hier müssen dringend Änderungen her.
Es scheint auch schwierig zu sein, an das Vermögen dieser Clans heranzukommen.
Die Situation ist doch absurd. Wenn ein Clan-Mitglied als Hartz-IV-Empfänger mit 100.000 Euro erwischt wird, kann er sich einfach damit herausreden, dass er es geschenkt bekommen hat. Wir brauchen hier eine Beweislastumkehr. Er muss doch nachweisen, dass er es auf legalem Wege erworben hat. Das Mindeste, was die Justiz aber durchsetzen muss, ist die Rückzahlung der Hartz-IV-Leistungen.
Sind diese Menschen überhaupt noch zu erreichen?
Wir haben keine andere Wahl, wir müssen sie erreichen.
Welche Aufgaben kommen beim Lösen des Problems der islamischen Community in Deutschland zu?
Die Clans werden von einem Verein mit Wurzeln im Libanon betreut. Seine Lehre wird aber von allen anderen Muslimen abgelehnt, was die Abschottung der Gruppe noch verstärkt.
Berlin hat 80.000 Flüchtlinge im vergangenen Jahr aufgenommen, 50.000 sind geblieben. Nährboden für neue Parallelgesellschaften und die Bildung neuer Clans?
Wenn wir die Integrationsfehler von damals wiederholen, dann haben wir ein riesiges Problem. Mit den Asylpaketen I und II und dem Fehlen eines Integrationskonzepts sind wir auf dem besten Weg, neue Rekruten für die Parallelgesellschaft zu erzeugen.