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Sep 13

Jüterbog geht gegen Flüchtlings-Posts des Bürgermeisters vor

Arne Raue, parteiloser Bürgermeister, soll seine Einträge auf der Facebook-Seite mit dem Namen „Bürgermeister der Stadt Jüterbog“ umgehend beenden. 35 Bürger hatten eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Raue eingereicht.

Ungewöhnlicher Schritt gegen den Brandenburger „Kleinstadt-Trump“: In Jüterbog beschließen die Stadtverordneten einstimmig, den Facebook-Account des Bürgermeisters Arne Raue schließen zu lassen.

Es ist ein bislang in Brandenburg einmaliger Vorgang: Der Bürgermeister der Stadt Jüterbog ist von den eigenen Stadtverordneten aufgefordert worden, seinen Facebook-Account zu schließen. Per Dienstanweisung.

Arne Raue, parteiloser Bürgermeister der Stadt, soll umgehend seine Einträge auf der Facebook-Seite mit dem Namen „Bürgermeister der Stadt Jüterbog“ beenden. Der Anstoß für den Beschluss kam von 35 Bürgern, die eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Raue eingereicht hatten, in der ihm unter anderem Verleumdung und Volksverhetzung vorgeworfen wird.

Grund für die Beschwerde sind mehrere Facebook-Posts auf Raues privatem und auf seinem Bürgermeister-Profil. Darin vergleicht er Flüchtlinge mit Hühnern, teilt immer wieder Meldungen über Straftaten von Flüchtlingen unter der Überschrift „Der tägliche Wahnsinn“ und schreibt auf seinen privaten Profil etwa: „Ich schaue morgens ins Netz. Messerstecher, Ficki-Ficki keine Einzelfälle mehr … importierte Kultur …“.

„Kleinstadt-Trump“ nennt ihn der Landesparteichef der Grünen, Clemens Rostock. „Er erinnert an den Amerikaner mit seiner Hetze gegen Flüchtlinge, seinem Demokratieverständnis und seinem Umgang mit der Presse“, so Rostock gegenüber der WELT. Zuerst hatten die „Märkische Allgemeine“ und die „Potsdamer Neuesten Nachrichten“ über den Fall berichtet.

Raue veröffentlicht die Anweisung auf Facebook

Auf seiner offiziellen Bürgermeister-Seite hatte Raue zwischen Vereinsjubiläen und Spatenstichen eine Polizeimeldung über Taten von drei Ausländern gestellt, die eine junge Frau sexuell belästigt und ihren Vater, als dieser einschritt, mit Steinen attackiert haben sollen. Unter der Meldung schaukelten sich die Kommentatoren hoch, der Tenor gegen Ausländer ging teilweise deutlich unter die Gürtellinie. Bürger, die Raue dafür kritisierten, sperrte er.

Auf seiner privaten Facebook-Seite teilte er Posts von Erika Steinbach, darunter Artikel der „Epoch Times“ und eine Liste, nach der Deutschland bei der Sicherheitslage zwischen der Mongolei und Gambia auf Platz 51 steht. Er stellte sich gegen die „Willkommensfanatiker“ und schrieb: „Ich warte seit Monaten auf den Tag, an dem ich im Netz nicht von neuen Messerattacken lesen muss.“ Und: „Mir ist jeder willkommen, der diese Kanzlerin stürzt.“

https://www.facebook.com/arne.raue/posts/1194611400617174

https://www.facebook.com/arne.raue/posts/1384183604993285

„Einiges mehr ist auch schon gelöscht worden“, sagt Karin Mayer, Stadtverordnete der CDU-Fraktion. Raue ist übrigens auch Integrationsbeauftragter der Stadt.

Einstimmig entschieden die Stadtverordneten, dass die Dienstaufsichtsbeschwerde berechtigt sei, und leiteten sie sogar mit der Aufforderung, ein Disziplinarverfahren einzuleiten, an das Landratsamt weiter. Raue habe gegen das Mäßigungsverbot verstoßen, sein Verhalten diene nicht dem Ansehen der Stadt, befanden sie.

„Er hält sich nicht an das Neutralitätsgebot. Sich so mit Äußerungen gegen Flüchtlinge, die Kanzlerin und die Volksparteien in die Öffentlichkeit zu stellen, das geht nicht“, sagt die Stadtverordnete Mayer. „Die Bürger wollen nicht mehr, dass er den Ruf der Stadt ruiniert“, so Maritta Böttcher von der Linksfraktion.

Bürgermeister: „Ich achte das Gebot, unparteiisch zu sein“

Der Bürgermeister selbst war da gerade im Urlaub. Den Beschluss seiner Vorgesetzten hat er aber bekommen, denn er postete ihn auf der Seite „Bürgermeister der Stadt Jüterbog“ – ebenjener Seite, die er eigentlich seit zwei Wochen abgeben soll. Seit Jahren informiere er die Bürger „auf dieser Seite über aktuelle Geschehnisse“. „Dabei achte ich das Gebot, unparteiisch zu sein und die politischen Aspekte weitmöglichst in den Hintergrund zu rücken“, schreibt er dazu. Offenbar ist er wenig bereit, die Seite zu schließen. Eine Gesprächsanfrage der WELT ließ Raue unbeantwortet.

„Der lässt sich gar nichts sagen“, sagt ein weiterer Stadtverordneter, der anonym bleiben will. 2011 wurde Raue von den Bürgern der 12.000-Einwohner-Stadt zum Bürgermeister gewählt. Der Zugezogene Raue, der früher in der CDU war, trat als Einzelbewerber an, ein junger Vater, der sich mit einem Verein um Kinder kümmert.

Viel mehr wussten die meisten wohl nicht über ihn. Gewählt wurde er für acht Jahre. „Er hatte sich gut getarnt“, wirft Maritta Böttcher ihm vor, die ihm damals knapp unterlag. 54 Prozent der Stimmen holte Raue in der Stichwahl. Seinen Verein für Kinder, der ihm damals so viel Sympathien einbrachte, gibt es schon lange nicht mehr.

Raue sorgt immer wieder für Schlagzeilen

Seitdem verursacht Raue regelmäßig Schlagzeilen: 2015 warnte er auf der offiziellen Internetseite der Stadt vor ansteckenden Krankheiten bei Flüchtlingen. Er suggerierte, eine Krätze-Ausbreitung habe etwas mit Flüchtlingen zu tun, und sprach auch von Tuberkulose. Schon „bei geringfügigen Kontakt mit Neuankömmlingen“ bestehe die Gefahr von Infektionskrankheiten, „auch solche, gegen die es leider keine wirksame Impfung gibt“, schrieb er. Eine Falschmeldung. Das Brandenburger Gesundheitsministerium reagierte entsetzt und sprach von gefährlicher Stimmungsmache.

Jüngst verlor der Bürgermeister ein Gerichtsverfahren. Er hatte einen Jüterboger angezeigt, weil dieser ihn als „kleinen Rassisten“ bezeichnet hatte. Doch das müsse er erdulden, entschied das Landgericht Potsdam erst im Juni, denn der Bürgermeister hatte zuvor gesagt, solche Aussagen machten ihm nichts aus.

Journalisten bezeichnete er in einem Post als „die wirklichen Hetzer“. Der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ warf er reißerische Berichterstattung und Falschnachrichten vor. Es läuft bereits ein Disziplinarverfahren gegen ihn, weil er einen Boykott der Zeitung ankündigte und sie nicht mehr zu Presseterminen einlud. „Der einstimmige Beschluss zeigt, dass sich nun auch seine Unterstützer in der Stadt von ihm abwenden“, so Rostock.

Die Stadtverordneten warten nun darauf, dass Raue die Bürgermeister-Seite abgibt. „Wir kommen nicht ran“, sagt Böttcher, „nur Herr Raue hat die Zugangsdaten.“

Quelle: welt

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