Nicht nur die Union, sondern auch die EU-Nachbarn schauen interessiert auf die Entscheidungsfindung der SPD in Sachen GroKo – und drängen wohl auch. Aus Paris und Athen habe er Pro-GroKo-Signale erhalten, sagte SPD-Chef Schulz. Das Kanzleramt nahm hingegen etwas Druck raus.
Die Union drängelt, die Wirtschaft und jetzt auch die europäischen Nachbarn: Der Druck auf die SPD in Sachen GroKo ist hoch, Tendenz steigend. SPD-Chef Martin Schulz, der wenige Tage vorm Parteitag und nach mehreren strategischen Fehleintscheidungen auch innerparteilich enorm unter Druck steht, bestätigte Anrufe und SMS-Kontakte aus Paris und Athen. Er sehe sich von den europäischen Nachbarn in eine neue Große Koalition gedrängt.
Er habe etwa von Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron sowie dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras entsprechende Signale bekommen, bestätigte Schulz der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. In Telefonaten und SMS-Botschaften sei es darum gegangen, wie Deutschlands Sozialdemokraten europäische Reformen in einer Bundesregierung voranbringen könnten.
Eindringliche Worte von Tsipras
Macron setzt sich für eine Reform der Europäischen Union ein und ist dazu auf Deutschland angewiesen. Und Tsipras habe ihn geschrieben: „Vergiss nicht, dass eine wahrhaft linke und fortschrittliche Position nicht darin besteht, die eigene Identität möglichst sauber zu halten“, berichtete der SPD-Chef. Vielmehr müsse man für wirkliche Veränderungen und Reformen zu kämpfen. „Ich bin sicher, Du wirst die richtige Entscheidung treffen“, so die Botschaft von Tsipras.
Noch mehr Druck? Das kann Schulz gar nicht brauchen
Schulz ist damit einmal mehr in der Bredouille. Denn inhaltlich steht er hinter den Vorschlägen für mehr europäische Zusammenarbeit, wie sie etwa Macron vorgelegt hat. Dennoch kann er noch mehr Druck in dieser fragilen Situation überhaupt nicht brauchen. Er muss den Spagat schaffen, die Basis auf ungeliebten GroKo-Kurs zu trimmen und damit eine gesichtswahrende Kehrtwende verkaufen. Der Parteitag am Donnerstag dürfte eine Vorentscheidung bringen, ob das gelingen kann.
Bis dahin verbittet sich die SPD jeden Zeitdruck, vor allem von Seiten der Unionsparteien. „Die CDU kann sich jetzt nicht hinstellen und von der SPD verlangen, dass sie innerhalb kürzester Zeit ihren Weg in eine nächste Bundesregierung klärt“, sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer der „Welt am Sonntag“. Und SPD-Vize Ralf Stegner findet, es reiche „völlig aus, wenn jedwede Gespräche zur Regierungsbildung im Januar beginnen“. SPD-Fraktionsvize Axel Schäfer sagte: „Wir brauchen jetzt keine Koalitionsverhandlungen, sondern Informationen und Diskussionen.“
Kanzleramt verringert den Druck
Im Kanzleramt spürt man offenbar, dass Druck auf die Genossen jetzt kontraproduktiv ist. „Die SPD ist in einem schwierigen Entscheidungsprozess, ob sie zu einer Großen Koalition bereit ist“, sagte der Merkel-Vertraute und Kanzleramtschef Peter Altmaier der „Bild am Sonntag“. „Das sollten wir in Ruhe abwarten.“
Überhaupt gehe Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Altmaier erinnerte an 2013, als die damalige Große Koalition von September bis Mitte Dezember benötigt habe, bis sie im Amt gewesen sei. „Wir sollten uns also nicht unter Zeitdruck setzen.“