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Aug 10

Spanien-Rückführungsabkommen: Viel Schein, wenig Sein

Rückführungsabkommen mit anderen EU-Ländern sollen die Reise von Asylbewerbern nach Deutschland begrenzen. Doch ein Blick auf das Spanien-Abkommen zeigt: Es geht um Symbolpolitik.

Eine Analyse von Marcel Heberlein, ARD-Hauptstadtstudio

Der Asylstreit in der Union hat die Regierung im Juli fast zu Fall gebracht. Am Ende rauften sich CDU und CSU, Merkel und Seehofer, doch noch zusammen – und verkündeten einen Kompromiss: Statt Zurückweisungen an der Grenze sollten Rückführungsabkommen dafür sorgen, dass Menschen, die als Asylsuchende schon in einem anderen EU-Land registriert wurden, dorthin zurückgeschickt werden können. Den Abschluss des ersten dieser Abkommen hat das Innenministerium jetzt verkündet – mit Spanien.

Durch das Abkommen wird sich kaum etwas verändern

Laut der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke von der Linkspartei kamen im ersten Quartal dieses Jahres 248 Menschen über die Grenze zu Österreich, wurden von der Polizei aufgegriffen und suchten Asyl. 248 Menschen pro Quartal, das wären zirka drei pro Tag. Wobei die Zahl vielleicht noch ansteigt, da sich im Sommer mehr Menschen auf den Weg machen.

Im gesamten Jahr 2017 waren es 1740 Menschen – oder fünf Menschen pro Tag – die an der Grenze zu Österreich um Asyl nachgesucht haben.


Grenzschild Österreich | Bildquelle: REUTERS

Ein Grenzübergang zwischen Deutschland und Österreich.

Nicht alle diese Asylbewerber, die über Österreich nach Deutschland kamen, wurden jedoch vorher schon woanders registriert. Nur 21 Prozent aller Antragsteller 2017 hatten ihren Fingerabdruck bereits in einem anderen EU-Land hinterlassen und wurden somit registriert – und damit in die sogenannte Eurodac-Datei eingetragen.

Es erscheint zwar logisch anzunehmen, dass die Quote der In-der-EU-Weitergereisten an der Grenze zu Österreich etwas höher ist. Denn zur Gesamtquote tragen ja auch viele Menschen bei, die vor Deutschland noch nirgendwo europäischen Boden betreten haben – wenn sie zum Beispiel aus der Türkei direkt nach Deutschland fliegen.

Es gibt weitere Einschränkungen

Nicht alle Woanders-Registrierten können jetzt zurückgewiesen werden, sondern nur die, die in einem anderen EU-Land bereits offiziell einen Asylantrag gestellt haben. Diese Gruppe ist kleiner. Nächste Einschränkung: Unbegleitete Minderjährige können künftig nicht zurückgeschickt werden.

Und schließlich: Nur ein kleiner Teil der an der Grenze Aufgegriffenen hat seinen Asyl-Antrag vorher in Spanien gestellt. Offizielle Zahlen dazu gibt es nicht.

Ein Bundespolizist hält an einer Kontrollstelle an der Autobahn A 3 kurz hinter der deutsch-österreichischen Grenze ein Fahrzeug an. | Bildquelle: dpa

Die Bundespolizei hat noch keine verlässlichen Daten darüber, wer bereits in Spanien einen Asylantrag gestellt hat, weil sie an der Grenze erst seit Kurzem erhebt, wer bereits einen Eurodac-Eintrag hat und wer nicht.

Einen Hinweis gibt aber die Zahl der Übernahmeersuchen nach dem Dublin-Verfahren – die Asyl-Fälle also, in denen Deutschland feststellt: „Wir sind nicht zuständig, bitte kümmert ihr euch“. Im vierten Quartal 2017 hat Deutschland nur 5,2 Prozent all seiner Übernahmeersuchen an Spanien gestellt (32,7 Prozent an Italien), im ganzen Jahr 2017 sogar nur 3,6 Prozent.

Wenn man all diese Zahlen und Einschränkungen zugrunde legt, kommt man auf vielleicht ein bis zwei Menschen pro Monat, die künftig nach Spanien zurückgeschickt werden könnten.

Doch selbst diese Zahl könnte zu hoch sein

Was tun Menschen, wenn sie wissen, dass sie demnächst an drei ganz speziellen Grenzübergängen zu Österreich zurückgewiesen werden? Sie werden nicht über diese Route reisen, sollte man annehmen – wenn Asylbewerber aus Spanien das überhaupt je getan haben.

Denn die allermeisten, die aus Spanien nach Deutschland weiterziehen wollen, gehen wahrscheinlich auch bisher nicht den Umweg über Österreich, sondern stattdessen über die deutsch-französische oder deutsch-schweizer Grenze. Systematisch kontrolliert wird dort nicht.

Vor diesem Hintergrund erscheint es mehr als nachvollziehbar, dass Spanien keine Gegenleistung für dieses Abkommen wollte. Es ändert ja nichts. Lediglich ein Abkommen mit Italien würde vielleicht eine substantielle Zahl von Menschen betreffen. Doch das scheint weiter nicht in Sicht.

Quelle: Tagesschau

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