Hannover – Wenn Vanessa Münstermann (29) sich zur Seite dreht, kommt das ganze Ausmaß des Verbrechens ans Licht: die völlig entstellte linke Gesichtshälfte. Zunge, Ohr, Nase, Auge, Hals – alles verätzt! Jetzt hat das Säure-Opfer hat 250 000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen bekommen. Diese Entscheidung verkündete das Landgericht Hannover.
Die Größenordnung, die bei Gewalttaten außergewöhnlich ist, sei eine, die die Kammer für angemessen halte, sagte ein Gerichtssprecher am Dienstag. „Die Schäden kann man eigentlich in Geld gar nicht bemessen“, erklärte er. Dem Täter Daniel F. (34) sei es darauf angekommen, die Frau vorsätzlich zu entstellen. Schmerzensgeld habe auch eine Genugtuungsfunktion.
Daniel F. habe seine Ex-Freundin entstellen und „hässlich machen wollen“, begründeten die Richter nach Angaben des Gerichts ihre Entscheidung.
„Ich bin total glücklich über die Entscheidung“, sagte sie, wie der Sprecher von Münstermanns Opferhilfe-Verein über ihre erste Reaktion berichtete. Sie selbst erschien am Dienstag nicht vor Gericht.
Die damals 27 Jahre alte Frau war Anfang 2016 von ihrem Ex-Freund mit Schwefelsäure übergossen worden. Ihre linke Gesichtshälfte wurde zerstört. Der Täter ist bereits zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt worden. Nun soll er zahlen!
Ob Münstermann das Schmerzensgeld tatsächlich erhält, ist fraglich. Der Täter ist nach Angaben seines Anwalts pleite. Wenn er nicht freiwillig zahlt, kann Münstermann eine Zwangsvollstreckung betreiben lassen.
Säure-Attacke im Morgengrauen
Es war Montag der 15. Februar 2016, 5.30 Uhr, in Hannover-Leinhausen. Wie jeden Morgen ging Münstermann schon früh mit ihrem Beagle Kylie aus dem Haus. Die Routine kannte auch ihr Ex-Freund, der ihr im Dunkeln auflauerte. In seiner Jackentasche hielt er ein Glas Schwefelsäure. Völlig unvermittelt sprang er hinter einem Busch hervor und kippte Münstermann die Säure ins Gesicht.
Die Frau lag später mehrere Tage im Koma und wurde mehr als 20 Mal operiert. Sie verlor ein Auge und ein Ohr, Narben zerfurchten die Haut. Der Anwalt des Täters, Max Marc Malpricht, machte damals keine Angaben dazu, ob sein Mandant die Tat bereue. Noch aus der Haft schrieb der Täter beleidigende Briefe an seine Ex-Freundin.
Die Eltern des Täters hatten Münstermann einige Monate nach der Tat 50 000 Euro gegeben. Weitere 100 000 Euro hatten sie in Aussicht gestellt – allerdings mit der Bedingung, dass Münstermann nicht mehr öffentlich über den Täter spricht. „So ein Schweigegeld kann ich nicht akzeptieren“, hatte Münstermann damals betont.