Der scheidende Bundespräsident Joachim Gauck hat – ganz im Stillen – nochmals ein Zeichen gesetzt: Ohne Pomp hat er im Schloss Bellevue am Freitagnachmittag rund 50 Angehörige der Todesopfer des Attentats vom Breitscheidplatz empfangen und ihnen seine Anteilnahme ausgesprochen. Zwölf Menschen waren heute vor genau zwei Monaten getötet worden, eine offizielle Trauerfeier hatte es nicht gegeben. Gauck sowie der ebenfalls anwesende Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) versprachen nach Angaben von Teilnehmern, in Zukunft die Kommunikation bei ähnlichen Ereignissen – die nicht kommen sollten – zu verbessern.
Was Angehörige berichteten, machte nach deren Angaben im Anschluss an das Treffen zum Teil auch Gauck und de Maizière fassungslos. Bis zu drei Tage irrten Angehörige durch die Stadt und klapperten Krankenhäuser ab, um zu erfahren, ob vermisste Angehörige unter den Opfern waren. Das ermittelnde Bundeskriminalamt hatte zunächst eine Nachrichtensperre verhängt. Diese sei begründbar, habe de Maizière gesagt. In den ersten Stunden sei die Lage unklar gewesen. Bei Anrufern habe man zunächst nicht unterscheiden können, ob es tatsächlich Angehörige, Trittbrettfahrer oder aufdringliche Medienvertreter waren.
Dies dürfe aber nicht zu einer solch misslungenen Kommunikation führen wie nach dem Anschlag vom 19. Dezember. Aber es ging noch weiter: Angehörige, die wussten, dass sie Verwandte verloren hatten, wurden, so schilderten es Teilnehmer im Schloss Bellevue, am Tag danach von Sicherheitsleuten daran gehindert, am Trauergottesdienst in der Gedächtniskirche teilzunehmen. Begründung: In der Kirche säßen hochkarätige Politiker. Gauck sagte dazu am Freitag, davon habe er beim Gottesdienst nichts gewusst.
Auch zunächst ahnungslose Angehörige seien unsensibel behandelt worden, berichteten Betroffene. So habe die Polizei nach „aussagekräftigem DNA-Material“ von Angehörigen gefragt, ohne den Grund zu nennen. Eine Antwort sei gewesen: „Wer jetzt nicht wisse, worum es gehe, sei selbst schuld.“ De Maizière kündigte Teilnehmern zufolge an, die Kommunikation in der Innenministerkonferenz zum Thema zu machen. Die Probleme dürften sich nicht wiederholen.
Aber auch auf Landesebene habe man die Angehörigen im Stich gelassen, sagten Betroffene. Das Erste, was sie vom Land erhalten hätten, sei ein Brief gewesen. Zunächst habe er gedacht, vielleicht kondoliere der Regierende Bürgermeister, berichtete ein Angehöriger. Was in dem Schreiben steckte, sei aber eine Rechnung gewesen – von der Gerichtsmedizin. Mit der Aufforderung, innerhalb der gesetzten Frist zu zahlen; ansonsten werde ein Inkassounternehmen das Geld eintreiben.