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Mitte dieser Woche sind 25 in Bayern lebende Flüchtlinge nach Kabul abgeschoben worden. Das teilte das bayerische Landesamt für Asyl und Rückführungen mit.
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Wie SZ-Recherchen ergaben, hat Innenminister Joachim Herrmann offenbar selbst noch mindestens drei Afghanen wieder aus dem Flugzeug holen lassen.
Nach Angaben des bayerischen Landesamtes für Asyl und Rückführungen vom Donnerstag sind Mitte dieser Woche erneut in Bayern lebende Flüchtlinge abgeschoben worden. In der Charter-Maschine nach Kabul, die am Mittwoch vom Flughafen Leipzig abhob, saßen der Behörde zufolge auch 25 afghanische Flüchtlinge aus Bayern, deren Asylantrag abgelehnt worden war. Elf von ihnen seien rechtskräftig verurteilte Straftäter gewesen, darunter zwei Sexualstraftäter.
Bei den übrigen handelte es sich demnach um unbescholtene Personen. Mit Empörung reagierten deren Unterstützer auf die Abschiebung ihrer Schützlinge. „Wir sind alle fassungslos, dass Sie selbst im Advent und Weihnachtsfrieden gute Menschen ins Verderben schicken“, schrieb Stephan Theo Reichel, der Geschäftsführer und Kurator des Vereins „Matteo – Kirche und Asyl“, an Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU).
Wie SZ-Recherchen ergaben, hat Herrmann offenbar selbst noch mindestens drei Afghanen kurz vor dem Abschiebeflug wieder aus dem Flugzeug holen lassen – einen davon auf Intervention der früheren Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU). Dabei handelt es sich um einen 22-Jährigen, der gerade in einer Altenpflegeschule im unterfränkischen Erlenbach eine Ausbildung zum Pflegehelfer absolviert. Er wurde, wie seine Schulleiterin Beate Höltermann berichtet, „direkt aus dem Unterricht heraus abgeholt“ und in Gewahrsam genommen.
Auf den jungen Afghanen lässt Höltermann nichts Schlechtes kommen: Er sei mit den alten und dementen Menschen sehr geduldig, sei geschickt und zeige viel Empathie. „Er wird hier gebraucht“, betonte Höltermann in einem Schreiben an Jens Marco Scherf, den Landrat des Kreises Miltenberg.
Stephan Dünnwald – einer der Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrates – zeigte sich verwundert darüber, dass aus Bayern nach wie vor auch Afghanen abgeschoben werden, die in Pflegeschulen eine Ausbildung absolvieren. „Das geht eindeutig gegen die Vorgaben, die Minister Herrmann in einem Schreiben an Bayerns Ausländerbehörden ausgegeben hat“, sagte Dünnwald. Demnach seien unbescholtene, in der Pflege tätige Personen nicht abzuschieben, weil ihre Tätigkeit im öffentlichen Interesse sei.
Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in München kritisierten Dünnwald und Bernd Mesovic, der rechtspolitische Referent des Vereins „Pro Asyl“ die rund 30 Abschiebeflüge nach Afghanistan, die in den zurückliegenden drei Jahren stattgefunden haben. Die Sicherheitslage in dem seit 40 Jahren vom Krieg zerrütteten Land sei „extrem gefährlich“. Seit Oktober 2016 sind nach Angaben des Innenministeriums bei den 32 Sammelabschiebungen des Bundes 448 Afghanen abgeschoben worden, für die Bayerns Ausländerbehörden zuständig waren. Die wenigsten von ihnen hätten sich schwere Straftaten zuschulden kommen gelassen, sagte Dünnwald.
Das Innenministerium betont indes, es sei „oberste Priorität, Straftäter und Gefährder abzuschieben“. 40 Prozent der Abgeschobenen hätten Straftaten begangen – darunter offensichtlich auch kleinere Delikte. Die Schwere der Delikte sei aber gar nicht das Kriterium: „Sie werden abgeschoben, weil sie vollziehbar ausreisepflichtig sind“, hieß es.