Mohamed Tazout hat Glück. Weil der 38-jährige Marokkaner eine Ausbildung zum Altenpfleger hat, darf er in Deutschland bleiben, obwohl sein Asylantrag abgelehnt wurde. Andere Ausländerbehörden halten das anders.
Abschiebung oder Ausbildung: Dieser Deal ist ein Grund, warum Mohamed Tazout aus Marokko den hier eher unbeliebten Job des Altenpflegers macht. Der 38-Jährige darf eigentlich nicht in Deutschland bleiben. Nur wenn er eine Ausbildung macht, wie jetzt in einer Senioren-Wohngemeinschaft in Hannover, wird er geduldet. Mindestens 627 abgelehnte Asylbewerber zwischen 16 und 25 Jahren machen es so in Niedersachsen.
Das geht aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Grünen hervor. Allerdings fehlen die Zahlen für viele Kommunen, darunter die Großstädte Hannover und Braunschweig. Wer wie Tazout älter als 25 Jahre war, wurde zudem nicht erfasst.
Duldung bei Ausbildung – das ist Bestandteil des 2016 in Kraft getretenen Integrationsgesetzes. Sie kommt nur für abgelehnte Asylbewerber infrage, die nicht aus sicheren Herkunftsländern kommen. Sie dürfen auch nicht straffällig geworden sein. Erfüllen die Bewerber die Bedingungen, können sie eine dreijährige Ausbildung beginnen. Danach dürfen sie mindestens zwei Jahre im erlernten Beruf in Deutschland arbeiten. Die Regelung trägt auch den Namen „3+2“: drei Jahre Ausbildung, zwei Jahre arbeiten.
Mit Ausbildung und Arbeitsplatz haben die ehemals abgelehnten Asylbewerber gute Chancen auf einen Aufenthaltstitel, wie Constantin Bräunig vom „Netzwerk Unternehmen integrieren Flüchtlinge“ erklärt. Auch wenn der Bundesrat noch darüber entscheidet, ob die Maghreb-Staaten wie Marokko künftig als sichere Herkunftsländer eingestuft werden, kann Tazout nach Bräunigs Einschätzung wohl bleiben.
Seit zweieinhalb Jahren ist der Marokkaner in Deutschland und macht eine Ausbildung zum Altenpfleger beim Interkulturellen Sozialdienst in der niedersächsischen Landeshauptstadt. Seine Mentorin Sigrid Rehren schwärmt: „Manche muss man scheuchen, aber Mohamed – der guckt sich das an und setzt das um.“
Der Marokkaner mache fast alles: Wäsche, Medikamente verabreichen, Körperpflege, Putzen. „Ich mach das gerne“, betont er. Eine betagte Dame sitzt derweil auf einer Bank in der Nähe, zeigt auf Tazout und ruft: „Unser Freund“. Tazout gehört wegen seines Alters nicht zu den vom Innenministerium genannten fast 630 geduldeten Azubis in Niedersachsen.
Den Grünen-Abgeordneten Belit Onay, der die Anfrage an die Landesregierung stellte, stimmen die Zahlen nicht zufrieden. Zwar freue er sich für jeden geduldeten Azubi. Es gebe aber große Unterschiede zwischen den Kommunen. So hat die Ausländerbehörde im Landkreis Osterholz dem Papier zufolge 56 Prozent der Anträge auf Ausbildungsduldung bejaht, die in Göttingen dagegen nur zwei Prozent.
Für den Abgeordneten deuten die Unterschiede darauf hin, dass jede Ausländerbehörde das Recht auf Ausbildungsduldung anders anwende. Im Gesetz zur Ausbildungsduldung gebe es zu viele schwammige Begriffe, kritisiert Onay. Es hänge von der zuständigen Behörde ab, ob ein Geflüchteter ein „Ja“ oder „Nein“ als Antwort bekomme.
Der Abgeordnete forderte einen einheitlichen Leitfaden für alle Ausländerbehörden. Bräunig teilt die Kritik des niedersächsischen Abgeordneten. Auch in anderen Bundesländern schwankten die Zahlen stark, sagte er. Dabei sei es wichtig, das Potenzial von Geflüchteten zu nutzen, findet Onay. Und die Menschen bräuchten Perspektiven.
Arbeit ist die beste Integration
Derweil haben rund 17.000 Flüchtlinge aus den acht wichtigsten Asyl-Herkunftsländern in niedersächsischen Unternehmen laut Arbeitsagentur einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz. Bis vor fünf Jahren waren es rund 5000, seit der großen Zuwanderungswelle sind rund 12.000 hinzugekommen.
Berufliche Schwerpunkte seien Jobs im Handel, dem Gast- und dem verarbeitenden Gewerbe. Ende 2017 hatte die Arbeitsagentur 20.504 arbeitslose Flüchtlinge registriert. Es sind 50.657 Männer und Frauen, die zwar Arbeit suchen, aber zum Teil offiziell nicht als arbeitslos gelten, weil sie noch an Sprachkursen oder anderen Weiterbildungsmaßnahmen teilnahmen.
Tazout hat sein Ziel klar vor Augen: Nach den drei Jahren Ausbildung will er weiter als Altenpfleger in Deutschland arbeiten. Bricht er die Ausbildung ab, müsste er das Land verlassen.