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Okt 06

Attacke vor Dartclub in Kahla: Ermittler sehen Flüchtlinge als Angreifer

Nach der Auseinandersetzung explodierte einen Monat später ein Sprengsatz vor dem Dartclub. Foto: Jens Henning

Die Auseinandersetzung im April hat sich nach neuen Erkenntnissen anders als zuerst von der Polizei mitgeteilt zugetragen. Zeugen haben gefehlt.

Kahla. Die Auseinandersetzung zwischen minderjährigen Flüchtlingen und Besuchern eines Dartclubs in Kahla am 14. April dieses Jahres hat überregional Schlagzeilen zur Folge gehabt. Die abgeschlossenen polizeilichen Ermittlungen zeichnen jetzt ein anderes Bild, als es damals vonseiten der Polizei in einer ersten Mitteilung wiedergegeben wurde. Der Grund dafür liegt auch in der Auskunftsbereitschaft der Zeugen.

Wie aus einer Antwort der Staatsanwaltschaft Gera gegenüber dieser Zeitung hervorgeht, muss sich der Vorfall schon am Nachmittag hochgeschaukelt haben. Die jungen Syrer und Afghanen, die in einer Unterkunft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in der Kahlaer Altstadt wohnen, hätten Besucher des gegenüberliegenden Dartclubs provoziert und sich antisemitisch geäußert.

Am Abend spitzte es sich zu. Die Ermittlungen legten es nahe, dass die vier Flüchtlinge zunächst einen Besucher des Dartclubs verbal angriffen und zwei von ihnen den Mann attackierten, teilt Staatsanwalt Martin Zschächner mit. Dabei sei der Dartclub-Besucher von einem Flüchtling mit einem harten Gegenstand geschlagen worden. Ein Paar schritt ein, „um dem augenscheinlich kräftemäßig weit unterlegenen Angegriffenen zu helfen“, heißt es weiter.

Der Angegriffene sei in den Dartclub gebracht worden, wo er bemerkte, dass seine Jacke fehlte. Er vermutete, sie sei von den minderjährigen Flüchtlingen gestohlen worden. „Dies veranlasste eine größere Anzahl an Dartclub-Besuchern, sich in die Unterkunft zu begeben, wo es zu einer heftigen verbalen Auseinandersetzung mit den Ausländern und deren Betreuer kam“, sagt der Staatsanwalt.

Anschließend wurde es offenbar hektisch. Der Betreuer der Flüchtlinge habe die Gruppe von Deutschen aufgefordert, die Unterkunft zu verlassen. Das taten sie erst, als die Jacke wieder auftauchte. Das Kleidungsstück sei nicht von den Flüchtlingen gestohlen worden, geht aus den Ermittlungen hervor.

Polizisten, die den abendlichen Vorfall aufnahmen, seien anschließend von einem Dartclub-Besucher beschimpft worden. Ob es sich um die Äußerung „Auschwitzvergaser“ handelt – wie die Landespolizeiinspektion Jena (LPI) im April mitteilte – bestätigt der Staatsanwalt nicht. Die Räume des Clubs wurden zu dieser Zeit von Mitgliedern der Burschenschaft Normannia genutzt, die vom Thüringer Verfassungsschutz als „rechtsextremistisch ausgerichtet“ bewertet wird.

Am Ende mussten zwei verletzte afghanische Jugendliche behandelt werden. Der angegriffene Deutsche war beim Eintreffen der Polizisten unauffindbar, sagt auf Nachfrage die Sprecherin der LPI. Sie erklärt, warum sich die Vorgänge in der fünf Tage nach der Tat verschickten Pressemitteilung der Polizei von den jetzigen Ermittlungsergebnissen unterscheiden.

Damals schien es, dass die Flüchtlinge von einem Dartclub-Besucher angegriffen und von weiteren Personen bis in ihre Unterkunft verfolgt wurden. „Es konnten an dem Abend nicht alle Beteiligten vernommen werden, Alkohol war auch im Spiel“, sagt die Polizeisprecherin. Die Dartclub-Besucher hätten gegenüber den Beamten fast nichts gesagt, so konnte erst nur die Seite der Flüchtlinge aufgenommen werden. „Im Laufe der Ermittlungen der letzten Monate wurden alle Zeugen gehört“, erklärt sie, und so habe sich das Bild zusammengefügt.

Die Staatsanwaltschaft Gera bearbeitet jetzt auf Grundlage der abgeschlossenen Ermittlungen drei Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung sowie eines wegen Hausfriedensbruchs. Beschuldigte sind sowohl afghanische Jugendliche als auch Burschenschafter.

Quelle: otz

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