„Feindliche Übernahme“, das islamkritische Buch von Thilo Sarrazin, steht schon an der Spitze der Bestsellerlisten. Wie stehen Buchhändler zu dem Werk? Und wie präsentieren sie es in ihren Läden?
Eine Woche nach Erscheinen führt Thilo Sarrazins neues Buch die Bestsellerlisten an. Ob Amazon-Ranking oder „Spiegel“-Liste, „Feindliche Übernahme“ ist die Nummer eins. Man habe 220.000 Exemplare ausgeliefert, bis Mittwoch seien circa 100.000 verkauft worden, gibt der Finanzbuch-Verlag, bei dem das Buch erscheint, auf Nachfrage an.
Wie aber gehen Buchhändler mit dem Buch um, dessen Autor Kritiker mangelnde islamwissenschaftliche Sachkenntnisse, schlampige Recherchemethoden und rassistische Positionen nachgewiesen haben? Was tun? Ins Sortiment aufnehmen und verkaufen oder doch ignorieren?
Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, betont, dass es den Buchhändlern obliege, welche Titel sie in ihr Sortiment aufnähmen: „Die Vertrags- und Meinungsfreiheit gilt hier uneingeschränkt.“ Man trete unabhängig davon aber „konsequent für die Werte einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft ein: für Meinungsfreiheit und den Dialog, für Toleranz, Respekt und Vielfalt“.
Gerade die unabhängigen Betreiber von Einzelbuchhandlungen ringen um eine adäquate Lösung. Auf der einen Seite will man die Meinungsbildung nicht unterbinden, auf der anderen Seite liegt es an einem selbst, sein Angebot zu gestalten.
Den neuen Sarrazin in gute Gesellschaft gelegt, @_Dussmann_ #gegendenhass @C_Emcke pic.twitter.com/ah2vhJx1fk
— jonicamole (@jonicamole) September 3, 2018
Martina Bergmann, Buchhändlerin aus Borgholzhausen in Nordrhein-Westfalen, meint, da „Feindliche Übernahme“ nicht verboten und man keine „Zensurinstanz“ sei, könne man das Buch nicht einfach boykottieren, auch wenn sie selbst nicht viel davon halte. Da es allerdings in Zeiten, in denen der Einzelhandel kaum mit Anbietern wie Amazon konkurrieren könne, vielen Inhabern kleinerer Buchhandlungen schwerfalle, ihre Haltung beispielsweise durch einen Boykott überhaupt zum Ausdruck zu bringen, gibt sie zu bedenken, dass es vielen Händlern ob ihrer wirtschaftlichen Lage einfach nicht möglich sei, sich den Einnahmen, die ein Bestseller verspricht, zu entziehen.
Thalia indes, Deutschlands größte Buchhandelskette, hat „Feindliche Übernahme“ nicht nur ins Sortiment aufgenommen, sondern bewirbt das Buch darüber hinaus: „Unsere Aufgabe (…) besteht darin, kontrovers diskutierte Themen und Bücher in einem inhaltlichen Kontext zu präsentieren, der Gegenpositionen deutlich macht. (…) Das Interesse am Sarrazin-Buch (…) ist aktuell sehr groß, und es ist deshalb in unseren Buchhandlungen unter der Überschrift ‚Deutschland diskutiert‘, zusammen mit Publikationen, die andere Meinungen vertreten, präsent.“
Eine Haltung, die Johannes Steinhöfel von der Buchhandlung Eckermann aus Weimar nicht teilt: „Das Buch entspricht nicht dem, wofür ich und die Buchhandlung stehen. Ich möchte solche Inhalte nicht aktiv unterstützen und habe es daher nicht im Laden, bestelle es aber auf Kundenwunsch.“
Bestellung auf Kundenwunsch
Ähnlich sieht es die Buchhandlung Marx aus Frankfurt am Main: „Wir haben uns entschieden, dass wir keinen Umsatz mit diesem Buch machen wollen, und verkaufen es daher nicht.“
Dass allerdings nicht jeder das Buch kaufe, weil er mit Sarrazin sympathisiert, und man durchaus mit den Kunden über das Buch diskutieren könne, merkt eine Buchhändlerin aus dem Großraum München an, die nicht namentlich genannt werden will: „Ich finde es schwierig, ein Buch, das nicht auf dem Index steht, den Kunden vorzuenthalten, auch wenn ich persönlich Sarrazins Thesen ablehne. Ich habe zwar ein, zwei Exemplare im Laden, aber räume dem Buch keine Aufmerksamkeit ein. Ansonsten bestelle ich es auf Kundenwunsch. Das bietet natürlich die Möglichkeit, mit den Leuten zu diskutieren. Meiner Erfahrung nach kaufen jedoch nicht nur Sarrazin-Anhänger das Buch, sondern auch einige, die sich eine Meinung dazu bilden wollen.“
In jedem Fall offenbart „Feindliche Übernahme“ die Herausforderungen des Meinungspluralismus, wenn versucht wird, die Grenzen des Sagbaren zu verschieben.