Die Bilanz der Bremer Bildungsbehörde stimmt positiv. Demnach haben im vergangenen Jahr 70 Prozent der Flüchtlinge und Migranten in einem vorberuflichen Bildungsgang den Hauptschulabschluss gemacht. Doch es gibt auch Kritik.
Trotz Hauptschulabschluss liegt der Sprachstand unter B1-Level
Bei dem zweijährigen Bildungsgang BOSP wird der Unterricht als auch die Klassenarbeiten dem Klassenniveau angepasst. Zum Bestehen der Abschlussprüfung reicht es zudem schon aus, wenn die Schüler im Zeugnis keine Sechs oder nicht mehr als zwei Fünfen haben. Dadurch bekommen auch sehr schwache Schüler einen Abschluss. „Doch trotz Hauptschulabschluss liegt ihr Sprachstand oftmals noch weit unter B1-Level“, beklagt Grönert.
Der Bildungsgang BOSP wurde durch das Land Bremen eigens für geflüchtete Jugendliche eingerichtet, die nach ihrem 14. Lebensjahr nach Deutschland immigriert sind, geringe Deutschkenntnisse besitzen und aufgrund ihres Alters nicht in der Sekundarstufe I unterrichtet werden können.
Laut den Richtlinien des Landes Bremen für diesen Bildungsgang ist das Ziel der BOSP die Förderung der Ausbildungs- und Berufsreife der Erwerb von Kenntnissen der Arbeits- und Berufswelt und die Verbesserung der Sprachkompetenz zur Integration in die Gesellschaft. Am Ende des Bildungsgangs steht es dem Teilnehmer frei, an einer Abschlussprüfung teilzunehmen. Somit ist der Erwerb des Hauptschulabschlusses oder erweiterten Hauptschulabschlusses möglich.
Ausländer trotz Abschluss nicht fit für Berufsausbildung
Fit für die Arbeitswelt sind die Teilnehmer aber auch mit Hauptschulabschluss meistens nicht. Der Beginn einer Berufsausbildung ist oft nicht möglich.
Selbst für Einstiegsqualifizierungen verlangt die Agentur für Arbeit inzwischen bei den Sprachkenntnissen B1-Level. Dazu gehören einjährige praxisnahe Maßnahmen durch die Flüchtlinge und Migranten gezielt auf eine Ausbildung vorbereitet werden.
Dadurch entsteht ein Dilemma. Die Bremer Bildungsbehörde hält ihre Aufgabe für erfüllt. Die Wirtschaft stellt jedoch fest, dass die Schulabgänger nicht ausbildungsfähig sind. „Und keiner schließt diese Lücke“, so CDU-Politikerin Grönert.
Unterschiedlicher Bildungshintergrund erschwert den Unterricht
Was neben fehlenden Sprachkenntnissen den Unterricht erheblich erschwert, ist die unterschiedliche Vorbildung. So gibt es laut einer Bremer Berufsschullehrerin eine ganze Reihe von Schülern mit einem guten Bildungshintergrund: „Die wachsen in unser System rein und haben wenig Probleme“, sagt sie dem „Weser Kurier“.
„Doch viele Schüler haben nie eine Schulbildung erhalten“, erzählt die Lehrerin der Zeitung weiter: „Das sind zum Teil Analphabeten. Oder sie haben in einer Koranschule gerade mal das kleine ABC gelernt. Die wissen überhaupt nicht, wie Schule funktioniert.“
Diese Schüler müssten erst einmal Dinge wie Pünktlichkeit oder das Führen eines Heftes lernen, so die Lehrkraft. Diese Schüler seinen im ersten Jahr voll damit ausgelastet, das Schulsystem in Deutschland zu verstehen. Erst dann könne ernsthaft daran gedacht werden, sie zu unterrichten, beschreibt die Lehrerin die Situation.
„Viele passen in unser Schulsystem einfach nicht rein“
Die Lehrkraft sieht das Problem nicht an der Einstellung der Zuwanderer, sondern an der kurzen Unterrichtszeit. Die Migranten hätten nur zwei Jahre Unterricht, um all das zu lernen, was sie für den Einstieg in eine Berufslehre benötigen. Aber das reiche nicht.
Der Meinung ist auch Markus Saxinger vom Bremer Integrationsnetzwerk BIN: „Unser Wunsch an die Bildungsbehörde lautet schon lange, den jungen Geflüchteten ein drittes Schuljahr zu ermöglichen.“
Aber auch drei Jahre scheinen nicht genug: So äußert ein Bremer Berufsschullehrer seine Skepsis gegenüber dem „Weser Kurier“: „Man könnte so die Fachkompetenz der Schulen nutzen und die Schüler blieben in ihren vertrauten Strukturen“, doch: „Viele passen in unser Schulsystem einfach nicht rein. Da bringt auch ein drittes Schuljahr nichts.“ (er)