In Bulgarien verkauft – in Dortmund ausgebeutet: Ein 15-jähriges Mädchen soll in der Nordstadt zur Prostitution gezwungen worden sein. Jetzt spricht sie über ihr Martyrium.
Fast 14 Jahre nach der Zwangsprostitution einer damals 15-jährigen Bulgarin in einer Rotlicht-Kneipe und auf dem Straßenstrich in der Dortmunder Nordstadt steht seit Dienstag eine mutmaßliche Menschenhändlerin und Zuhälterin (54) vor Gericht. Unfassbar: Laut Staatsanwaltschaft soll die Angeklagte die heute 29 Jahre alte Belastungszeugin für gerade einmal 100 Euro ihrer Mutter abgekauft haben.
Auf den Strich geschickt, ausgebeutet und geschlagen: Wenn sich die Anklagevorwürfe von Oberstaatsanwalt Dirk Stickeln bewahrheiteten, dann hat für die 15-Jährige im Jahr 2006 ein trauriges Martyrium begonnen. Kaum war sie damals in Dortmund in der Alsenstraße angekommen, sollen die Angeklagte und ihr Ehemann der 15-Jährigen aufgetischt haben, dass sie fortan als Prostituierte für sie arbeiten müsse.
„Dirnenlohn“ im BH versteckt
Die 54-Jährige soll der damals noch Jugendlichen die auszuübenden Sexualpraktiken erklärt und den jeweiligen Preis für Kunden aufgegeben haben. Anschließend soll die Angeklagte sofort einen ersten Freier verschafft, mit dem das Mädchen dann laut Anklage „unter Tränen“ im Hinterzimmer einer Rotlicht-Kneipe Sex gegen Geld praktiziert haben soll. Noch in derselben Nacht soll die damals 15-Jährige von der Angeklagten sieben weitere Freier verschafft bekommen haben.
Die Einnahmen aus der Prostitution sollen der 15-Jährigen stets komplett abgenommen worden sein. Als die Bulgarin einmal 80 Euro „Dirnenlohn“ in ihrem BH versteckt hatte, soll die Angeklagte ihr das Geld abgenommen und sie dabei verprügelt haben.
„Fünf Kunden täglich“: Mädchen (15) aus Bulgarien musste in der Nordstadt anschaffen gehen
Die Angeklagte (Mitte) an der Seite ihres Verteidigers Matthias Meier kurz vor Prozessbeginn. Rechts im Bild: ein Dolmetscher. © Werner von Braunschweig
Die heute 29 Jahre alte Frau bestätigte, dass der Ehemann der Angeklagten ihrer Mutter seinerzeit für sie 200 Lewa (umgerechnet 100 Euro) übergeben und sie dann aus Plowdiw (Bulgarien) mit nach Dortmund genommen habe.
„Ich habe viel geweint“
„Ich sollte dann hier als ‚Nutte‘ arbeiten“, so die Zeugin, die auch bestätigte, dass sie wegen der heimlich im BH versteckten 80 Euro geschlagen worden sei. „Ich habe viel geweint, musste jeden Tag arbeiten, hatte im Schnitt fünf Kunden täglich“, so die Zeugin weiter.
Erst nach eineinhalb Jahren sei sie von dem Ehemann der Angeklagten „rausgeschmissen“ und für 400 Euro an einen Freier „verkauft“ worden. Heute ist die 29-Jährige nach eigenen Angaben nicht mehr im Rotlicht-Milieu tätig, sondern kümmert sich um ihre Tochter.
Zum Prozessauftakt vor dem Landgericht hat sich die 54-jährige Frau aus Bulgarien noch nicht geäußert. Ihr Ehemann ist bereits im Januar 2013 wegen Menschenhandels zu fünf Jahren und acht Monaten Haft verurteilt worden.