Bislang ist nur das Vorlegen falscher Papiere unter Strafe gestellt. Wie WELT erfuhr, gibt es innerhalb der Regierung Streit über den Umgang mit diesem Problem. Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister spricht von „Sicherheitsrisiken für den Rechtsstaat“.
Falsche Angaben von Asylbewerbern zu ihrer Identität oder Staatsangehörigkeit werden auch weiterhin nicht unter Strafe gestellt. Wie WELT erfuhr, können Alter oder Identität damit weiterhin vertuscht werden, ohne dass gleich schwerwiegende Konsequenzen folgen. Strafbar ist bislang lediglich der Missbrauch ausländerrechtlicher Dokumente, etwa das Vorlegen eines falschen Passes.
Den Informationen zufolge lehnt das Bundesjustizministerium einen entsprechenden Vorstoß des Bundesinnenministeriums zur Strafbarkeit von Falschangaben bislang ab. Eine Neuregelung tauchte zuletzt auch nicht bei der Änderung des Asylgesetzes auf, die im Dezember in Kraft getreten ist.
Das Haus von Ministerin Katarina Barley (SPD) wollte sich auf Anfrage nicht dazu äußern. Aus dem Ministerium von Horst Seehofer (CSU) hieß es, die Regel sei „Gegenstand von noch laufenden Gesprächen im Ressortkreis“.
Deutliche Kritik kommt von Lorenz Caffier, Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern und Sprecher der unionsgeführten Innenressorts der Bundesländer: „Das Fehlverhalten der Asylbewerber hat hier bisher keinerlei Konsequenzen, birgt aber hohe Sicherheitsrisiken für den Rechtsstaat.“ Der Bund müsse daher eine Lösung finden, dass Täuschungen gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) konsequent bestraft werden könnten. Die Innenminister der Länder würden die Tatenlosigkeit des Bundes „mit Sorge zur Kenntnis nehmen“.
Caffier sagte weiter: „Die Mitwirkungspflicht von Asylbewerbern im Rahmen des Asylverfahrens insbesondere hinsichtlich der Klärung ihrer tatsächlichen Identität ist für die Sicherheitsbehörden von großer Bedeutung.“ Dazu gehöre „selbstverständlich auch die Möglichkeit, festgestellte Identitätstäuschungen entsprechend sanktionieren zu können“.
Bereits Ende 2017 hatten sich auf Antrag von Nordrhein-Westfalen die Justizminister von Bund und Ländern mit dem Thema befasst. Man stellte fest, dass „im Asylverfahren auch wiederholte unzutreffende Angaben von Antragsstellerinnen und Antragsstellern zu Alter, Identität oder Staatsangehörigkeit nicht strafbar sind“. Die Innenministerkonferenz wiederum wurde aufgefordert, entsprechende Maßnahmen zu prüfen.
Die Innenminister von Bund und Ländern mussten Ende des vergangenen Jahres dann aber zur Kenntnis nehmen, dass die Regierung in der Sache nicht entscheidend vorangekommen sei. Aus dem Bundesinnenministerium hieß es dazu: „Es konnte keine Einigung mit dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz erzielt werden.“
Das Haus von Minister Seehofer hält jedoch an seinem Willen fest, die Strafbarkeitslücke zu schließen: „Aus ordnungspolitischen Gründen besteht ein Interesse daran, Identitätstäuschungen sowie sonstige Falschangaben im Asylverfahren zu unterbinden.“
Die Hintermänner erwischen?
Kritiker einer solchen Strafbarkeit führten zwar an, dass die jeweiligen Personen dann weniger bereit seien, bei der Aufklärung von Straftaten anderer Personen zu helfen. „Vereinzelt wird vertreten, dass eine eigene Straflosigkeit sich positiv auf die Bereitschaft auswirken könnte, bei der Aufklärung von Straftaten Dritter mitzuwirken“, erklärte ein Sprecher des Innenministeriums. Aber: Diese Auffassung teile das Innenministerium nicht.
Weiterhin legt mehr als die Hälfte der Asylbewerber keine Identitätspapiere vor. Nach Angaben der Bundesregierung waren es im ersten Halbjahr 2018 etwa 58 Prozent. Gründe dafür können der Verlust der Papiere sein – oder aber auch der Versuch, sich unter falscher Identität registrieren zu lassen, weil man sich etwa eine bessere Chance auf Asyl ausrechnet.
Werden keine Ausweisdokumente vorgelegt, orientieren sich die Beamten vor allem an den Angaben des jeweiligen Bewerbers. Das Täuschen über die Identität führt dabei nicht automatisch dazu, dass ein Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt wird.
Das BAMF erfasst bislang statistisch weder, wie viele Personen falsche Angaben im Asylverfahren machen, noch die Gründe für die Ablehnung eines Schutzstatus. Auch die Bundesregierung erklärte, es würden keine Statistiken über das Ausmaß von Falschangaben vorliegen.
In der Opposition im Bundestag sieht man Handlungsbedarf: „Die zuverlässige Identitätsfeststellung ist von entscheidender Bedeutung für ein rechtsstaatliches Asylverfahren“, sagte Linda Teuteberg, migrationspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion. „Auch zur Vermeidung von Sozialmissbrauch sowie aus Sicherheitsgründen muss die Nutzung von Mehrfachidentitäten wirksam unterbunden werden.“