Nach Gerüchten über eine Öffnung der türkischen Grenzen für Flüchtlinge in Richtung Europa versammelten sich Hunderte Migranten. Die griechische Regierung zog Polizisten, Grenzschutzbeamte und Soldaten zusammen, es wurde Pfefferspray und Tränengas eingesetzt.
Griechenland hat am Freitag den Grenzübergang zur Türkei bei Kastanies/Pazarkule geschlossen, damit keine Migranten dort illegal einreisen können. Dies berichtete das griechische Staatsfernsehen (ERT). Zuvor hatten sich nach Gerüchten über eine Öffnung der türkischen Grenzen für Flüchtlinge in Richtung Europa Hunderte Migranten an diesem Übergang am griechisch-türkischen Grenzfluss Evros (türkisch: Meric) versammelt. Als einige Migranten über die Grenze zu kommen versuchten, setzte die Polizei Pfefferspray und Tränengas ein, wie das Staatsfernsehen berichtete.
Wie lange die Schließung dauern werde, sei unklar, berichtete das Staatsfernsehen Griechenlands. Reporter vor Ort berichteten, auf der griechischen Seite habe die Regierung zahlreiche Polizisten und Grenzschutzbeamte sowie Soldaten zusammengezogen.
Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis hatte zuvor Bundeskanzlerin Angela Merkel telefonisch über das Vorgehen an der Grenze zur Türkei informiert. Dies teilte das Büro des Regierungschefs in Athen mit. Einzelheiten wurden nicht bekannt.
Parallel dazu hat auch Bulgarien den Schutz seiner Grenze zur Türkei verstärkt. Die Aussicht auf eine neue Migrationskrise sei umso mehr eine Bedrohung, wenn man bedenke, dass Europa gerade versuche, die Coronavirus-Epidemie einzudämmen, hieß es von offizieller Seite. An der EU-Außengrenze sei deshalb Gendarmerie stationiert worden, sagte Regierungschef Boiko Borissow. Bulgarien sei zudem vorbereitet, 1000 Soldaten an die türkische Grenze zu schicken, kündigte Verteidigungsminister Krassimir Karakatschanow an.
Busse standen bereit, um Migranten abzuholen
Bereits den ganzen Tag über hatten sich in der Region Migranten in Bewegung gesetzt. Die Nachrichtenagentur DHA berichtete am Freitagmorgen beispielsweise von rund 300 Menschen, die sich auf den Weg in Richtung eines Grenzübergangs in Edirne gemacht hätten. Die Provinz grenzt sowohl an Griechenland als auch an Bulgarien.
Andere kämen in der Provinz Canakkale nahe Ayvacik zusammen, um per Boot auf die griechische Insel Lesbos und damit in die EU zu gelangen.
Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, dass sich Migranten in den Städten Izmir, Mugla und Canakkale sammelten für die Reise Richtung EU. In Mugla hätten einige Gummiboote mitgebracht. Flüchtlinge versuchen regelmäßig, mit Booten aus der Türkei nach Griechenland überzusetzen.
In Istanbul kamen Menschen Medien zufolge unter anderem im Stadtteil Zeytinburnu zusammen, um in Sammeltaxis und Bussen nach Edirne oder in Küstenorte zu fahren. Auf CNN Türk war ein Mann einer Transportfirma zu hören, der Menschen anlockte mit dem Slogan „Hier ist die Tür zu Europa“. Der Sender TRT zeigte Szenen von Migranten, die im Morgengrauen an einem Strand standen oder über Felder liefen. Die Bilder ließen sich nicht unmittelbar verifizieren.
Nur ein Mittel, um Druck auf Europa aufzubauen?
Eine offizielle Bestätigung gab es zu den angeblich „offenen Grenzen“ nicht. Beobachter hielten die vor allem von regierungsnahen Medien lancierten Berichte zunächst für ein Mittel, Druck aufzubauen und Hilfe für die Situation im nordsyrischen Idlib zu bekommen.
Zuvor hatte die türkische Regierung erklärt, sie wolle syrische Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa nicht mehr aufhalten. Die Türkei werde die Grenzen nicht länger für Flüchtlinge schließen, „die nach Europa wollen“, sagte ein ranghoher Regierungsvertreter der Nachrichtenagentur AFP. Bereits zuvor hatten türkische Medien berichtet, die Türkei habe ihre Grenzen zu Griechenland und Bulgarien „geöffnet“.
Eskaliert war die Lage nach einem syrischen Luftangriff in Idlib in der Nacht auf Freitag, bei dem mindestens 33 türkische Soldaten getötet worden waren. In der letzten Rebellenhochburg ist das syrische Militär mithilfe der Schutzmacht Russland auf dem Vormarsch.
Die Türkei, die in dem Konflikt islamistische Rebellen unterstützt, hat dort Beobachtungsposten. Sie versucht unter anderem, eine Waffenruhe zu erreichen. Hunderttausende fliehen vor syrischen und russischen Angriffen auch in Richtung türkische Grenze. Das hatte in der Türkei, die bereits Millionen Flüchtlinge beherbergt, Sorgen ausgelöst.
Erdogan hatte mehrfach gewarnt, sein Land werde einen neuen Zustrom von Flüchtlingen „nicht allein schultern können“ und „alle europäischen Länder würden die negativen Folgen zu spüren bekommen“.