Das ist jetzt die Zukunft: Auto mit Wasserstoffantrieb auf einer High-Tech-Messe in Peking. Foto: Getty Images
Der Verkauf von Elektroautos in China ist stark rückläufig. Und die Regierung spricht auf einmal von Methanol- und Wasserstofffahrzeugen. Dahinter steht wirtschaftliches Kalkül.
Die Entscheidung schien gefallen: Die chinesische Regierung setzt auf die Elektromobilität, und zwar auf den Batteriebetrieb – mit aller Konsequenz. Vor drei Jahren wurde das allen in der Autobranche schlagartig klar, als auf der Website des Pekinger Industrieministeriums eine verbindliche Elektroautoquote angekündigt wurde. Seit Anfang dieses Jahres gilt: Konzerne, die mehr als 30’000 Autos pro Jahr in der Volksrepublik verkaufen, müssen einen Anteil davon mit Elektromotor ausstatten. Wer nicht spurt, bekommt eine Strafe aufgebrummt.
In Windeseile passten sich die Konzerne an, China ist schliesslich der grösste Automarkt der Welt. Volkswagen gründete gar ein Gemeinschaftsunternehmen mit JAC, einem damals selbst in China kaum bekannten Hersteller. Das Ziel: Billige Elektroautos für den Massenmarkt. Inzwischen hat der Konzern aus Wolfsburg die Strategie aller Marken auf den Batteriebetrieb ausgerichtet. Vorstandschef Herbert Diess lobte erst vor kurzem, dass die chinesische Führung das Land durch solch klare Planung zu einem «internationalen Kraftzentrum der Autoindustrie» mache. Bereits 2025 will VW alleine in China 1,5 Millionen Elektroautos verkaufen. In Europa soll es ähnlich laufen.
Doch es gibt immer mehr Zweifel, ob diese Entscheidung richtig ist. In China rücken Kunden und Regierung merklich von der Fokussierung auf die Elektromobilität ab. «Viele glauben noch, dass der Anteil der Elektrofahrzeuge in China in den kommenden Jahren stark ansteigen wird. Wir können dies nicht bestätigen», sagt Jochen Siebert, Geschäftsführer der Beratungsfirma JSC Automotive in Shanghai.
Die Karten neu mischen
Offiziell begründete die chinesische Regierung ihr Engagement stets mit dem Umweltschutz. In Wahrheit ging es jedoch um knallharte Industriepolitik: Beim Verbrennungsmotor gelang es chinesischen Herstellern nie, technisch aufzuschliessen. Audi, BMW und Daimler liegen vorne und nicht Geely, Chery oder Brilliance. Die Elektromobilität bot eine Chance, die Karten neu zu mischen.
Im grossen Stil förderte die Führung in Peking Batteriehersteller. Denn: Das Wertvollste an einem Elektroauto ist derzeit der Energiespeicher, er macht etwa ein Viertel bis zu einem Drittel des Wertes eines Fahrzeuges aus. Zudem setzte Peking auf Subventionen: Wer einen Elektrowagen aus chinesischer Produktion kaufte, bekam einen Zuschuss von umgerechnet etwa 8000 Euro. Und je nach Stadt kamen weitere Vergünstigungen hinzu. Konkurrenzfähige Elektroautos wurden dennoch nicht gebaut. Bis Ende 2020 sollte daher die Förderung auslaufen.
«Das hat die Regierung ohne grosse Ankündigung vorgezogen. Etwa 75 Prozent der Subventionen sind bereits jetzt eingestellt worden», sagt Berater Siebert. Die Effekte sieht man in der Zulassungsstatistik. Bei reinen Elektroautos ist der Markt seit September rückläufig. Minus 19 Prozent, im Oktober waren es gar 29 Prozent weniger im Vergleich zum Vorjahresmonat. Noch dramatischer sieht es bei den Hybridfahrzeugen aus, die sowohl über einen Verbrennungsmotor als auch einen Elektroantrieb verfügen. Im Juni: minus 16 Prozent. Einen Monat später: ein Rückgang von 30 Prozent. Im August dann der Einbruch: 57 Prozent negativ. Seitdem hat sich der Markt etwa halbiert.
China will von Rohstoffimporten unabhängig sein
«Schaut man sich die jüngsten Veröffentlichungen der chinesischen Regierung an, fällt auf, dass plötzlich neue Technologien aufgeführt werden: Methanol etwa oder Wasserstoff», sagt Siebert. Bereits zu den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking sollen die ersten Busse mit Brennstoffzellenantrieb ausgerüstet werden, an der Tsinghua-Universität wird eifrig daran gewerkelt – es ist ein Staatsauftrag.
«Im Zentrum der chinesischen Politik steht die Unabhängigkeit der Energie- und Rohstoffversorgung, deren Bedeutung durch den Handelskrieg weiter manifestiert wurde», sagt Siebert. China gewinnt den Grossteil seiner Energie aus Kohle, die im eigenen Land verfügbar ist. Methanol kann man aus der Vergasung von Kohle gewinnen. Wasserstoff, den man für die Brennstoffzelle braucht, per Elektrolyse. Batterien hingegen werden zusammengerührt aus Rohstoffen, die importiert werden müssen, Kobalt oder Lithium etwa, vor allem aus Ostafrika.
Doch was ist, wenn diese Zufuhren unterbunden werden, so wie es jüngst im Handelskrieg mit den USA dem Netzwerkausrüster Huawei ergangen ist? Amerikanische Unternehmen dürfen auf Anordnung des US-Präsidenten nur noch mit Sondergenehmigung Chips und Software liefern. Die Furcht in Peking ist seitdem gross, dass das auch in anderen Branchen geschieht; das neue Ziel ist deshalb Autarkie