Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) muss einen Afghanen, der nach Bulgarien abgeschoben wurde, zurückholen. Die Abschiebung hätte offenbar sogar noch rechtzeitig verhindert werden können, wenn das Bamf und das zuständige Verwaltungsgericht Sigmaringen zügiger gearbeitet hätten.
Der 23-Jährige war über Bulgarien nach Tübingen gekommen und hatte am 8. Juni Asyl in Deutschland beantragt. Am 17. September war er jedoch auf Weisung des Bamf nach Bulgarien abgeschoben worden. Denn nach dem Dublin-Abkommen ist in Europa jenes Land für einen Asylantrag zuständig, das der Antragsteller zuerst betreten hat.
Abgesehen davon, dass der Flüchtling sich inzwischen wieder in Afghanistan befindet, wohin er laut Bamf „unfreiwillig“ weitergereist sein soll, gibt es noch einen anderen Haken. Der junge Afghane hatte gegen den Abschiebungsbescheid geklagt. Eine Klage hat bis zur Fällung eines Urteils aufschiebende Wirkung. Da das Urteil aber noch aussteht, hätte er also gar nicht abgeschoben werden dürfen.
Abschiebung wegen verspäteter Bearbeitung bei Gericht und beim Bamf erfolgt
Das Verwaltungsgericht Sigmaringen wies am 24. Oktober das Bamf an, den Flüchtling zurückzuholen, damit er in Deutschland das Urteil seiner Klage gegen die Abschiebung abwarten kann. Auf den deutschen Staat kommen so möglicherweise noch wesentlich höhere Kosten zu, als dies bei Abschiebungen ohnehin schon der Fall ist. Denn wenn der Afghane tatsächlich zurückgeholt werden kann und die Klage gegen die Abschiebung am Ende trotzdem abgewiesen wird, muss er zum zweiten Mal abgeschoben werden.
Zudem hätte die verfrühte Abschiebung offenbar leicht vermieden werden können – wenn die Behörden zügig gearbeitet hätten. Von FOCUS Online nach dem Grund der offenbar rechtswidrigen Abschiebung gefragt, teilt das Bamf mit, dass die Abschiebung wegen „einer verspäteten Mitteilung des Verwaltungsgerichts Sigmaringen über die Erhebung eines Eilantrages“ sowie „einer verzögerten Reaktion des Bamf“ zustande gekommen sei.
Anwalt hat keinen Kontakt
Die Rückholung des Flüchtlings gestaltet sich in jedem Fall äußerst schwierig. Denn nach Angaben des Tübinger Anwalt Markus Niedworok, der den Afghanen bei der Klage vertritt, besteht im Augenblick kein direkter Kontakt zu seinem Mandanten.
Niedworok sagte, er wisse nur, dass sich der 23-Jährige derzeit ohne Papiere im Großraum Kabul aufhalte – die afghanische Hauptstadt hat knapp vier Millionen Einwohner. „Seine Originaldokumente liegen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die Kopien wurden von bulgarischen Behörden in den Müll geworfen“. Der Kontakt laufe zurzeit über Flüchtlingshelfer.
Bamf „bestrebt, Informationsfluss zu optimieren“
Das Bamf sei „bestrebt, den Informationsfluss mit den Verwaltungsgerichten weiter zu optimieren“, teilte ein Sprecher der Behörde zu dem Vorfall mit. Auch der Bereich der Überstellungskoordination im Dublinverfahren und der Bereich für die Zusammenarbeit mit den Verwaltungsgerichten sei zudem personell verstärkt worden, damit Hinderungsgründe für Überstellungen im Dublinverfahren rechtzeitig im Verfahren berücksichtigt werden können.
Doch der Fall um den 23-jährigen Afghanen beweist, dass diese Optimierung noch keinesfalls ausreicht.