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Jun 30

Ehe für alle: Lesbisches Paar brachte Merkel zum Umdenken

Christine (l.) und Gundula (r.) Zilm in ihrem Garten in Barth (Mecklenburg-Vorpommern). dpa

Oft sind es persönliche Begegnungen, die politisches Handeln auslösen. So war es angeblich auch bei Angela Merkel in Sachen „Ehe für alle“. Ein Besuch bei einem lesbischen Paar in Vorpommern.

Seit Sommer 2013 steht die Einladung an Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Ausgesprochen hat sie Christine Zilm auf dem Marktplatz von Barth nahe der Ostsee in Vorpommern, als sie bei einem Wahlkampfauftritt der Kanzlerin von ihrer Situation als lesbische Frau in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft mit mehreren Pflegekindern erzählt hat. Sie könne die Kinder nicht adoptieren, weil sie und ihre Partnerin kein Ehepaar sind.

„Sie kann ruhig kommen, wir warten immer noch“, sagen Christine und Gundula Zilm am Mittwoch übereinstimmend. Sie sei in dem Haus mit dem großen Garten herzlich willkommen. Noch gibt es keinen Termin, aber bestimmt bald einen guten Anlass: Die Heirat der 52 und 58 Jahre alten Frauen, die sie sich schon so lange wünschen.

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dpa

Bis jetzt gilt: Ehe nicht für alle

Der Staat hat ihnen das bislang verwehrt. Aber mit dem Vorstoß von Merkel am Montagabend, als sie von ihrem klaren Nein zur Ehe für alle abrückte, hat sie Bewegung in das Leben der Zilms gebracht. Denn Merkel argumentierte, wenn das Jugendamt einem lesbischen Paar Pflegekinder anvertraue, könne der Staat nicht mit dem Kindeswohl gegen Adoptionen argumentieren – und hatte dabei vermutlich die Zilms im Hinterkopf und berichtete auch von der Begegnung.

„Wenn wir der Anstoß dafür waren, dass Frau Merkel umdenkt, ist das schon eine tolle Sache“, kommentiert Gundula die Szene. Ihr großer Wunsch ist es, dass gleichgeschlechtliche Paare die gleichen Rechte haben wie alle anderen Paare auch.

Die Episode zeigt, wie wichtig persönliche Begegnungen mit den Menschen im Land für die Politiker sein können und wie daraus politischen Handeln entstehen kann. Solche öffentlichen Treffen sind für Merkel nicht immer einfach. Beispiel: Die Begegnung mit dem Palästinensermädchen Reem im Juli 2015 in Rostock.

Die Kanzlerin hatte der damals 14-Jährigen ziemlich nüchtern versucht zu erklären, dass nicht jeder Migrant in Deutschland bleiben könne – worauf das Kind in Tränen ausbrach. Manche Beobachter gingen davon aus, dass diese Begegnung für den späteren Umgang Merkels mit der Flüchtlingskrise von Bedeutung war.

Fünf Pflegekinder, die nicht adoptiert werden können

Gundula Zilm hatte Merkel im Winter 2015 beim Neujahrsempfang der CDU des Kreises Vorpommern-Rügen getroffen. „Ich weiß, wer Sie sind, es steht noch ein Hausbesuch offen“, zitiert Gundula die Kanzlerin. Vorher war sie im Kreis zur „Frau des Jahres“ gekürt werden – für ihr ehrenamtliches Engagement in der örtlichen Grundschule und als Leiterin einer Selbsthilfegruppe.

Soziales Engagement hat eine zentrale Stellung im Leben der beiden, die wegen Erwerbsunfähigkeit bereits in Rente sind. Dazu gehören die Betreuung von derzeit fünf Pflegekindern im Alter von 9 bis 18 Jahren – auch vier Hunde leben im Haus – und die Hilfe für eine syrische Flüchtlingsfamilie.

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dpa

„Orientiert Euch nicht mehr am Mittelalter“

Kennengelernt haben sich die zwei vor neun Jahren im Internet und tauschten Erfahrungen aus: Beide haben eine heterosexuelle Vergangenheit und jeweils einen erwachsenen Sohn. Seit acht Jahren leben sie in der eingetragenen Partnerschaft.

„Wir wussten, was wir wollten, worauf sollten wir warten“, erzählen sie. Es ist offensichtlich, dass sie nicht nur in dieser Frage eine klare Haltung einnehmen. Denn sie wissen, wie es ist, nicht offen leben zu dürfen. „Zu tiefster DDR-Zeit war das nicht relevant“, sagt Christine.

Nach der Wende hätte Christine ihr Glück gern offen gezeigt, aber ihre damalige Partnerin wollte das nicht. „Also haben wir doch versteckt gelebt.“ Niemandem würde sie empfehlen, so zu leben. „Orientiert Euch nicht mehr am Mittelalter. Erlaubt doch den Menschen so zu leben, wie sie wollen“, ist das Credo der beiden.

Gebannt werden sie nach Berlin schauen, wenn sich der Bundestag mit dem Gesetz befasst. „Wenn die Nachricht kommt, dass es durch ist, werden wir erstmal mit den Kindern Eis essen gehen. Die werden jubeln“, sind sie sich sicher.

Quelle: Focus

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