Die Bundespolizei hat gegen insgesamt 19 Ausländer die Ausweisung wegen jihadistisch-terroristischer Bedrohung verfügt; 14 wurden tatsächlich ausgeschafft.
Zwar arbeiten die Bundespolizei (Fedpol) und der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) eng zusammen, was die Abwehr von terroristischer Bedrohung anbelangt. Trotzdem verwenden die beiden Bundesbehörden unterschiedliche Begriffe, wenn es um die Bezeichnung von Personen geht, von denen eine jihadistische Gefahr ausgeht. Während der NDB von Risikopersonen spricht, verwendet das Fedpol den in der Polizeiarbeit gebräuchlichen Ausdruck «Gefährder».
Gesetzesartikel «entdeckt»
Zuletzt bezifferte der NDB die Zahl der Risikopersonen Ende November 2018 auf rund 80. Das können sowohl Schweizer wie Ausländer sein. Neu sind die Zahlen, welche das Fedpol am Mittwoch auf Anfrage der NZZ bekanntgegeben hat: Demnach sind seit Anfang 2016 insgesamt 19 Ausweisungen von ausländischen Gefährdern verfügt worden. Sie alle stellten nach Einschätzung des Fedpol eine Gefahr für die innere oder äussere Sicherheit dar.
Die Ausweisungen stützen sich auf Artikel 68 im Ausländergesetz. Dieser Passus wurde erst 2016 «entdeckt», und zwar im Rahmen der Task Force namens Tetra (Terrorist Traveller). Damit eine Ausweisung gemäss Ausländergesetz verfügt werden kann, braucht es weder ein rechtskräftiges Urteil noch ein Strafverfahren. Vonnöten ist einzig die Einschätzung des Fedpol, das sich diesbezüglich mit dem NDB abspricht.
Alle 19 verfügten Ausweisungen seit 2016 erfolgten nach Angaben der Fedpol-Sprecherin Lulzana Musliu aufgrund einer jihadistisch-terroristischen Gefährdung. Nach dem einen Fall im Jahr 2016 erhöhte sich die Zahl 2017 auf 13 Fälle, im abgelaufenen Jahr wurden fünf Ausweisungen verfügt. Keine Angaben macht das Fedpol dazu, in welche Länder die 14 vollzogenen Ausweisungen erfolgt sind. Auch zu Alter oder Geschlecht der Betroffenen liegen keine Angaben vor.
Die Unausschaffbaren
Nicht vollzogen werden konnten über die drei Jahre hinweg insgesamt fünf Ausweisungen. Sie alle betreffen den Irak. Zum einen handelt es sich um drei Mitglieder der Schaffhauser IS-Zelle, unter ihnen Osamah M., der aufgrund einer Kriegsverletzung auf den Rollstuhl angewiesen ist. Er und seine Komplizen können nicht ausgewiesen werden, weil sie in ihrer Heimat an Leib und Leben gefährdet sind. Dasselbe gilt für zwei Iraker aus dem Kanton Basel-Stadt, unter ihnen der als «Apotheker» bekannte Ali J. Der Aufenthaltsstatus der fünf nicht ausschaffbaren Iraker ist derzeit unklar.
Keine einfache Antwort
Im Fokus stehen derzeit aber nicht ausländische Gefährder in der Schweiz, sondern mutmassliche Jihadisten mit Schweizer Pass, die im syrisch-irakischen Grenzgebiet von kurdischen Milizen gefangen gehalten werden. Zuletzt hat sich Bundesrätin Karin Keller-Sutter dahingehend geäussert, dass sie es vorziehe, wenn diese Leute vor Ort vor Gericht gestellt würden. Die Sicherheit der Schweizer Bevölkerung und der hiesigen Einsatzkräfte habe für sie Priorität.
Mit ihrer Aussage reiht sich die Schweizer Justizministerin weitgehend in den Chor ihrer europäischen Amtskollegen ein. Die Fragestellung, die am vergangenen Wochenende durch zwei Tweets von US-Präsident Donald Trump zusätzlich befeuert wurde, ist komplex. Eine einfache Antwort auf das emotional besetzte Thema liegt bis anhin nicht vor.
Von den rund tausend Gefangenen in den kurdischen Lagern stammen weniger als eine Handvoll aus der Schweiz – der Anteil bewegt sich also im Promillebereich. Den Schweizer Sicherheitsbehörden ist es zuzutrauen, diese überschaubare Zahl von potenziellen Rückkehrern bewältigen zu können, zumal sich darunter auch ein Kleinkind befinden soll.
Gleichzeitig liegt es auf der Hand, dass die Schweiz nicht mit einer eigenmächtigen Lösung vorprescht und damit die europäischen Partner düpiert. Denn das wahre Problem besteht nicht hierzulande, sondern in Deutschland, Belgien, Frankreich oder Grossbritannien: Diese Länder erwarten insgesamt mehrere hundert IS-Kämpfer aus kurdischen Gefangenenlagern. Es ist deshalb ratsam abzuwarten, was in Berlin, Paris, London oder Brüssel diesbezüglich entschieden wird. In Bern beugt sich der Sicherheitsausschuss des Bundesrats über das Thema, in das die drei Departemente von Ignazio Cassis (EDA), Karin Keller-Sutter (EJPD) und Viola Amherd (VBS) eingebunden sind.
Immerhin verfügt die Schweizer Justiz bereits über Erfahrung mit Anhängern der Terrororganisation Islamischer Staat (IS), die ins syrisch-irakische Kalifat reisen wollten oder vorübergehend dort lebten. Neben den bisherigen Fällen, die am Bundesstrafgericht in Bellinzona beurteilt wurden, steht kommende Woche das Urteil zweier Geschwister aus Winterthur an, die als Teenager nach Syrien gereist waren.
Mehr Instrumente für die Polizei
Mit dem Nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus (NAP) besteht seit Ende 2017 eine Art runder Tisch aller beteiligten Institutionen. Diese leisten an der Basis Präventionsarbeit und bemühen sich gleichzeitig um die Reintegration und Deradikalisierung von Jihadisten. Als nächster Schritt ist eine Verschärfung der polizeilichen Massnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (PMT) geplant.
Mit der Gesetzesvorlage, die demnächst dem Bundesrat unterbreitet werden soll, erhält die Polizei zusätzliche Instrumente für den Kampf gegen den Jihadismus. Im Raum steht auch ein Vorschlag der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren, Gefährder präventiv in Haft nehmen zu können.