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Feb 27

Es ist fahrlässig, wie hilflos Deutschland in diese Krise stolpert

Das Coronavirus breitet sich aus – und trifft in Deutschland auf ein erschreckendes Kompetenzwirrwarr. Nicht einmal über Inkubationszeit und Letalität des Virus ist man sich einig, geschweige denn darüber, wie lange eine Quarantäne dauern sollte.

Das neuartige Coronavirus zieht weltweit immer größere Kreise. Trotz der bedrohlichen Entwicklung sieht Bundesgesundheitsminister Jens Spahn Deutschland gut vorbereitet. Das soll vermutlich beruhigend wirken, schürt aber eher noch das Unbehagen. Nicht einmal über Inkubationszeit und Letalität des Virus sind sich die Mediziner bisher einig, geschweige denn darüber, wie lange eine Quarantäne dauern sollte. Dass die Bundesregierung dennoch bislang offenkundig der Ansicht ist, mithilfe von Fragebögen an Flughäfen das Geschehen im eigenen Land ausreichend erfassen zu können, wirkt da geradezu absurd.

Noch absurder ist allerdings, auf welches Kompetenzwirrwarr man trifft, wenn man nach Antworten auf ganz konkrete Fragen sucht. So war lange unklar, wer den Test auf das neue Coronavirus eigentlich durchführt und wer ihn bezahlt – mit der Folge, dass niedergelassene Ärzte bisher extrem zurückhaltend damit waren, Verdachtsfälle überhaupt zu testen.

Geradezu fahrlässig wirkt in der sich zuspitzenden Lage, dass offenkundig noch nicht einmal bei den Behörden Klarheit herrscht, wer jeweils zuständig ist. Der zeitweilige Stopp des EC von Venedig nach München hat das deutlich gezeigt.

Die simple Frage danach, wann der Bahnverkehr in ein Nachbarland wegen des Virus eingestellt oder unterbrochen werden kann, wurde in geradezu kafkaesker Weise vom Innen- an das Verkehrs- und von dort an das Gesundheitsministerium weitergereicht. Mit dem Ergebnis, dass keines der drei zuständig ist – sondern die Gesundheitsämter vor Ort.

Nun spricht in einem föderalen System nichts dagegen, dass einzelne Kommunen oder Bundesländer entscheiden. Aber wie soll man es verstehen, dass Deutschland fast 18 Jahre nach dem Ausbruch der Sars-Epidemie immer noch derart hilflos in die nächste Krise dieser Art stolpert? Wo sind die behördenübergreifenden Krisenstäbe, die eine schnelle Absprache untereinander und zwischen Bund, Ländern und Kommunen sicherstellen? Und wer fühlt sich zuständig für die Kommunikation mit der Bevölkerung, falls es doch schlimmer kommen sollte? Andere Länder sind da längst weiter.

Dabei ist es nicht so, dass Deutschland nicht vorbereitet wäre: Pandemiepläne und Planspiele gibt es zuhauf. Sie liegen seit Jahren in den Schubladen, sie lesen sich allesamt furchtbar. Vor allem aber eint sie alle die Erkenntnis, dass man nicht erst in der Krise damit anfangen sollte, sich für die Krise zu rüsten.

 Quelle: Welt.

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