Bundeskanzlerin Angela Merkel ist immer noch die mächtigste Frau der Welt. Doch von ihrer einstigen Stärke ist die CDU-Politikerin weit entfernt. Der Asylstreit mit der Schwesterpartei CSU lähmt Merkel. Auch der Zoff mit US-Präsident Trump setzt ihr zu. Die Zeche für den Stillstand zahlt Deutschland.
Angela Merkel ist derzeit nicht zu beneiden. Der Dissens mit CSU-Chef Horst Seehofer über die zukünftige Asylpolitik zehrt an ihren Nerven. Die Regierung ist zerstritten, die GroKo hat in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit kein großes Projekt auf die Schiene gebracht. Solange die Unionsparteien massiv überkreuz sind, werden wohl auch keine neuen wichtigen Reformen in Angriff genommen.
Deutsche Arbeitgeber kritisieren Zustand der großen Koalition
Das führt mittlerweile zu massiver Kritik. Die Arbeitgeber der deutschen Wirtschaft beispielsweise hadern mit dem Zustand der Regierungskoalition und drängen die Parteien dazu, den Blick nach vorn zu richten. „Man hat den Eindruck, die Koalitionspartner liegen sich in den Haaren und kommen ihrer Arbeit nicht nach“, sagte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer der „Bild„-Zeitung vom Freitag über 100 Tage große Koalition.
Lösung der Asyl-Problematik wird viel Geld kosten
Ein Haupt-Streitpunkt ist Merkels Asylpolitik: Aus der CSU kam jüngst die Warnung, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) dürfe bei ihrem Bemühen um bilaterale Abkommen nicht „mit dem Scheckbuch“ durch Europa laufen. Damit meinten die Parteifreunde die Ergebnisse von Merkels Treffen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in Schloss Meseberg. Die Kanzlerin willigte dabei in einen gemeinsamen Eurozonen-Etat ein, wenngleich er geringer ausfallen soll als Macron gehofft hat. Dennoch fürchtet man in München unabsehbare Folgekosten.
Außerdem gilt: Was immer Merkel und Macron austüfteln – Euro-Partner wie Italien stellen sich quer und verfolgen eine ganz andere Agenda.
Eines hat die CSU jedenfalls instinktsicher erkannt: Die geschwächte Kanzlerin erscheint erpressbar. Die „Wirtschaftswoche“ zitiert in ihrer aktuellen Ausgabe den Ökonomen Friedrich Heinemann vom Mannheimer Forschungsinstitut ZEW. Wer von Kämpfen nach innen blockiert sei, könne „Kämpfe nach außen nicht gut führen“, sagte Heinemann dem Blatt. „Daher kann es sein, dass am Ende sehr schlechte Verträge für Deutschland unterschrieben werden“, malt der Experte den Teufel an die Wand.
Trumps Strafzölle belasten erste deutsche Unternehmen
Ein weiteres Beispiel für Merkels teure Führungsschwäche ist der Handelsstreit mit den USA: Der Konflikt mit US-Präsident Donald Trump erreichte auf dem jüngsten G7-Gipfel in Kanada einen vorläufigen Höhepunkt. Trump widerrief noch auf dem Rückflug vom Treffen per Twitter seine Unterschrift unter das Abschlussdokument. Kritiker werfen Merkel vor, kein Konzept gegen die entschlossene „America-First“-Strategie Trumps zu haben. Das wäre fatal für die Wirtschaft des Exportweltmeisters Deutschland.
Erste negative Auswirkungen lassen sich tatsächlich registrieren: Mehrere Wirtschafts-Institute senkten ihre Wachstumsprognosen für das laufende Jahr um 0,5 Prozent. Zum Verständnis: Die deutsche Wirtschaftsleistung liegt bei rund 3,25 Billionen Euro pro Jahr. Fällt das erwartete Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr nur um einen halben Prozentpunkt geringer aus, liegt die Leistung um gut 15 Milliarden Euro niedriger.
Daimler-Aktie verliert an einem Tag drei Milliarden Euro
Und Merkels Ratlosigkeit hat weitere gravierende Folgen: Der deutsche Premium-Autobauer Daimler überraschte die Märkte am Donnerstag mit einer Gewinnwarnung. Der Konzern rechnet für das laufende Jahr mit leicht sinkenden Überschüssen. Bislang waren die Konzernherren in Stuttgart noch von Zuwächsen ausgegangen. Die Folge der negativen Mitteilung: Die Daimler-Aktie verlor gut vier Prozent, der Börsenwert des Konzerns sank an nur einem Tag um rund drei Milliarden Euro.
Für die Gewinnwarnung gibt es mehrere Gründe. Vor allem einer ist laut Daimler „maßgeblich“: Die chinesischen Zölle auf Pkw aus den USA, die China mit einer Mitteilung des Handelsministeriums vom 17. Juni zum 6. Juli hin einführen will.
In dem von US-Präsident Donald Trump angezettelten Handelsstreit bleibt Daimler und sämtlichen anderen europäischen Autoherstellern und Zulieferern nur eines: Über den europäischen Branchenverband Acea zu versuchen, auf die US-Regierung einzuwirken und darzustellen, wie wichtig die US-Werke der europäischen Hersteller für die US-Wirtschaft sind. Das geschieht auch, ob Zahlen und Fakten beim Adressaten fruchten, ist freilich eine andere Frage.
Pessimisten befürchten, dass die Probleme von Daimler nur ein Anfang sind. Bald schon könnten BMW , Porsche & Co. mit ähnlichen Hiobsbotschaften aufwarten. Und die Autobranche ist längst nicht die einzige, die sehnlich darauf wartet, dass die Kanzlerin endlich aktiv wird – bevor die Situation vollends eskaliert.