Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele will den Inzest-Paragrafen in Deutschland abschaffen. Das Inzest-Verbot passe nicht mehr in unsere Zeit und unsere Auffassung von Familie.
Das Inzest-Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) gegen einen 34-jährigen Leipziger hat für kontroverse Reaktionen gesorgt. Am heftigsten reagierte wohl der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele. Er will Sex zwischen Geschwistern und anderen nahen Verwandten erlauben und verlangt eine Abschaffung des Inzest-Paragrafen. „Das ist ein einsames Relikt aus anderen Zeiten, in denen ja auch noch der Ehebruch strafbar war, das haben wir auch abgeschafft“, sagte Ströbele dem Nachrichtensender N24. Der Paragraf 173 passe „in diese Zeit der geläuterten Auffassung über Ehe und Familie nicht mehr hinein. Er muss so weg“.
Im Gegensatz zu Ströbeles Vorschuss reagierte der Deutsche Ethikrat positiv auf das Urteil. Sexuelle Selbstbestimmung sei zwar wichtig, sie sei aber „mit Sicherheit nicht grenzenlos“, erklärte der Vorsitzende des Gremiums, Edzard Schmidt-Jortzig. Die traditionelle Familie müsse geschützt und von „Konkurrenz-Sexualitäten“ freigehalten werden. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) regte eine Debatte über das Thema an und forderte bessere Hilfsangebote für Betroffene.
Es müsse überlegt werden, wie strafrechtliche Sanktionen durch „verbesserte familiengerichtliche Lösungsmöglichkeiten“ ergänzt werden könnten – etwa durch eine therapeutische Betreuung von Geschwistern, die bereits als Kinder inzestuöse Beziehungen hätten, sagte Leutheusser-Schnarrenberger. Das Strafrecht könne den Inzest frühestens verhindern, wenn die Kinder strafmündig sind. „Der Schaden, den das Strafrecht verhindern will, ist dann aber schon oft eingetreten.“
Strafrecht soll keine Moralverstöße sanktionieren
Der Justiziar der Linken-Fraktion im Bundestag und ehemalige BGH-Richter Wolfgang Neskovic sprach von einer „mutlosen Entscheidung“. Das Strafrecht solle „nicht dazu dienen, Moralverstöße zu sanktionieren, sondern die Verletzung von Rechtsgütern und sozialschädliches Verhalten“. Bei einvernehmlichen Beziehungen zwischen Geschwistern werde niemand geschädigt.
Am Donnerstag hatte der EGMR die Beschwerde des 34-jährigen Patrick S. abgewiesen, der in dem Verbot Sex mit seiner Schwester zu haben einen unzumutbaren Eingriff in seine Menschenrechte sah. Das Straßburger Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Patrick S. kann dagegen binnen drei Monaten Rechtsmittel einreichen. Der Gerichtshof kann die Klage dann zur Überprüfung an die Große Kammer mit 17 Richtern verweisen. Er muss dies aber noch nicht tun. Der Klägeranwalt Endrik Wilhelm hat nach eigenen Angaben noch nicht entschieden, ob er in Berufung gehen will.