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Mai 11

Haben Wahlhelfer AfD-Stimmen bei der Bundestagswahl manipuliert?

Bei der vergangenen Bundestagswahl soll es zu Unregelmäßigkeiten bei der Stimmenauszählung gekommen sein – und zwar möglicherweise zu Lasten der AfD. So behauptet es zumindest der Politikwissenschaftler Uwe Wagschal in einem Gastbeitrag in der „FAZ“.

Der Grund für seine Vermutung: Ende Januar wurden die Daten der repräsentativen Wahlstatistik veröffentlicht. Dafür waren rund 2.250 Wahlbezirke ausgewählt worden, in denen die abgegebenen Stimmen stichprobenartig untersucht wurden. Hinzu kamen 500 Briefwahlbezirke. Damit deckt die Statistik rund 2,2 Millionen Wahlberechtigte ab.

Die Analyse zeige, dass es einen „signifikanten Zusammenhang zwischen dem Prozentanteil der ungültigen Zweitstimmen sowie dem Zweitstimmenanteil der AfD“ gebe, mutmaßt Wagschal. Kurzgefasst heiße das: Je stärker die AfD in einem Wahlkreis war, desto mehr ungültige Stimmzettel gab es dort – und zwar zu Lasten der AfD, wenn man Wagschal Glauben schenkt. Die auffälligsten Wahlkreise, schreibt er, seien meist Großstädte mit starken Universitäten – also mit vielen jungen, gebildeten Wählern und vergleichsweise hohem Einkommen.

1. These: Wähler machten eigene Stimme aus Protest ungültig

Der Politikwissenschaftler lässt offen, ob er glaubt, dass junge, gut situierte Wahlhelfer Stimmzettel zu Lasten der AfD manipuliert haben. Er liefert jedoch drei Erklärungsversuche, die er für plausibel hält – und in zweien von ihnen schwingt dieser Vorwurf mit.

Seine erste These ist, dass viele Wähler aus Protest ihre Stimme ungültig gemacht haben könnten. Das schließt er daraus, dass die Bundestagswahl 2017 generell als „Protestwahl“ galt – auch als Reaktion auf die Flüchtlingspolitik Angela Merkels. Eine Protestwahl ist zwar statistisch nur schwer zu erfassen. Sie zeichnet sich aber dadurch aus, dass besonders viele Wähler ihrem Unmut Ausdruck verleihen, indem sie sich für Parteien am rechten oder linken Rand entscheiden – im September 2017 entschieden sich 12,6 Prozent für die AfD – und andere könnten eben mit ungültigen Wahlzetteln protestiert haben. Schleierhaft bleibt bei dieser These jedoch, wie das der AfD geschadet haben sollte.

2. These: Wahlhelfer manipulierten Stimmen der AfD

Seine zweite These belastet die Wahlhelfer. Sie legt nahe, dass während der Auszählung oder der Übermittlung der Wahlergebnisse manipuliert wurde. Das führt Wagschal darauf zurück, dass die AfD am stärksten polarisiert. Eine Möglichkeit wäre demnach, „dass einzelne Wahlhelfer, welche die AfD ablehnen, Stimmen für die Partei (bewusst oder unbewusst) für ungültig erklärt oder Ergebnisse nicht korrekt gemeldet haben könnten.“

3. These: Wahlhelfer werteten ungültige Stimmzettel als gültig

Und zuletzt hält der Politikwissenschaftler es für möglich, dass ungültige Stimmzettel zugunsten einer anderen Partei als gültig gewertet worden sein könnten. Auch hierfür wären die Wahlhelfer zur Verantwortung zu ziehen.

Bei dieser letzten These beruft er sich auf einen Fall aus der Landtagswahl in Bremen 2015. Damals sei „ein Wahlbezirk nach Einsprüchen der AfD komplett nachgezählt“ worden, behauptet Wagschal. Daraus hätten sich „zusätzlich 34 Stimmen“ für die rechte Partei ergeben.

Diesen Vorwurf konnte Jürgen Wayand jedoch nicht auf sich sitzen lassen. Er war 2015 als Landeswahlleiter in Bremen tätig. Ebenfalls in einem Gastbeitrag in der „FAZ“ kritisierte er die Behauptungen des Politikwissenschaftlers. Dessen Argumentation fehle es an „Stringenz“ und „unangreifbar recherchierter Faktenlage“, kontert er.

Anders als von Wagschal behauptet, sei in Bremen nicht ein Wahlbezirk nach Einsprüchen der AfD komplett nachgezählt worden. Vielmehr habe die AfD Einspruch eingelegt und selbst Nachzähler rekrutiert, die explizit nach Zählfehlern zu Lasten der AfD suchen sollten. Untersucht hatten sie allerdings nur etwa 60 Prozent der Stimmzettel. Dabei seien zwar tatsächlich 34 zusätzliche Stimmen gefunden worden.

Doch eine darauf folgende Überprüfung aller Stimmzettel des Staatsgerichtshofs ergab, dass auch alle anderen Parteien von solchen Zählfehlern betroffen waren. Der Staatsgerichtshof teilte daraufhin mit, dass „eine Fehlerquote dieser Größenordnung“ normal sei. Insbesondere „wegen des erheblichen Zeitdrucks, unter dem sich die Auszählung am Wahlabend vollzieht“. Die zusätzlichen Stimmen hätten am Wahlergebnis nichts geändert.

Schon die Grundlage der Argumentation hält Wahlleiter für falsch

Doch schon die Grundlage für Wagschals komplette Argumentation hält Wayand für falsch. Er sieht in der Statistik überhaupt keine Auffälligkeiten zu Lasten der AfD. Gerade in Großstädten, in denen der Wissenschaftler diese Tendenzen vermutet, seien Wahl-Abweichungen dieser Art normal. In Großstädten gebe es immer Teile eines Stadtgebiets, in denen besonders viele Stimmen als ungültig gewertet werden. Das hänge mit Einkommens- und Sozialfragen zusammen: „Je besser situiert der Ortsteil ist, in dem ein Wahlbezirk liegt, umso niedriger ist der Anteil der ungültigen Stimmen – und umgekehrt.“

Ob es in Einzelfällen tatsächlich zu Wahlmanipulation gekommen ist, lässt sich im Nachhinein schwer nachweisen. Glaubt man Wayand, gibt es dafür jedoch keine fundierten Beweise. Für den Wahlleiter bewegen sich die Behauptungen Wagschals „im Reich der Spekulation“.

Quelle: Focus

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