Ahrensburger Vermieter zieht Angebot nach Druck aus der Nachbarschaft zurück. Bürgermeister und Kirche sind empört.
Ahrensburg. Sie sind eine sechsköpfige Familie. Vater, Mutter und vier Töchter im Alter zwischen 15 und 30 Jahren. Seit mehr als zwei Jahren lebt Familie Makia aus Syrien in Deutschland. Im Moment in einem von der Stadt gemieteten Siedlungshaus im Ahrensburger Süden. Sie sind froh, ein Dach über dem Kopf zu haben, auch wenn es Probleme in dem alten Haus mit der Heizung und nur ein Bad gibt. Als ein Mietvertrag für eine neue Wohnung unterschriftsreif ist, macht der Vermieter plötzlich einen Rückzieher.
„Wir dachten, endlich fündig geworden zu sein“, sagt Sohn Ammar Makia. Der 28-Jährige wohnt nicht mehr bei seinen Eltern, spricht sehr gut deutsch und hat sich seit Monaten für sie auf Immobilien- und Kleinanzeigen-Portalen auf die Suche gemacht. Die 105 Quadratmeter große Wohnung im Stadtteil Gartenholz war wie geschaffen für die Familie. „Viele Wohnungen sind zu klein für sechs Personen“, sagt der Sohn. Und berichtet weiter: „Wenn ich anrufe und die Vermieter meinen Akzent hören, heißt es oft, die Wohnung sei vergeben. Oder die Miete ist auf einmal höher.“ Eine unangenehme Erfahrung für den jungen Mann, der in Syrien bereits ein Studium in Englischer Literatur abgeschlossen hat und auf einen Studienplatz in Deutschland wartet.
Erster Kontakt verläuft vielversprechend
Doch in diesem Fall lief es zunächst einmal gut. „Innerhalb weniger Tage konnten wir uns die Wohnung ansehen“, sagt Ammar. Der Mietvertrag war bereits vorbereitet, die Zusage der Kostenübernahme durch das Jobcenter da. Denn die Krux ist: „Die Wohnung darf auch nicht viel größer sein, sonst werden die Kosten nicht übernommen.“ Die Behörde ist noch für die Bezahlung zuständig, weil die Schwestern noch zur Schule gehen oder gerade ein Berufspraktikum absolvieren.
Kurz vor der Unterzeichnung kam dann am 5. Juli die Absage per Kurznachricht. Der Vermieter, der nicht namentlich genannt werden will, sieht sich außerstande, den Vertrag zu unterschreiben. „Die Hausgemeinschaft hat sich beschwert und droht mir mit einer Klage“, schreibt er in einer SMS, die dem Abendblatt vorliegt. Er hoffe auf das Verständnis der Familie.
Die Makias wissen nicht, wie sie reagieren sollen. „Als ich meinen Eltern davon erzählte, waren sie frustriert“, sagt Ammar. Sie kontaktieren ihren Paten Karl-Dietrich Wegmann. Der Arzt engagiert sich für die Familie seit deren Ankunft, spricht von einem freundschaftlichen Verhältnis. Er hatte sich bereit erklärt, eine Bürgschaft für das Inventar der Wohnung zu übernehmen. Wegmann ruft den Vermieter an, sagt: „Er hat dort vorher selbst gewohnt, sah sich dem Druck der Hausgemeinschaft nicht gewachsen.“
Vermieter zeigt sich aufgeschlossen
Zum Abendblatt sagt der Vermieter: „Die Familie hat einen guten Eindruck gemacht. Von mir aus hätten sie einziehen können.“ Doch ein Teil der Hausgemeinschaft – wer und wie viele, will er lieber nicht sagen – hätten ihm klar gemacht, dass sie in dem Haus nicht willkommen sei. „Das wäre für die Familie auch nicht angenehm geworden.“ Diplomatisch formuliert sagt er, die Personenzahl sei als zu hoch empfunden, regelmäßiger Besuch durch Verwandte erwartet worden.
Nachvollziehen kann Rechtsanwalt Alexander Blažek vom Eigentümerverband Haus & Grund in Kiel die Befürchtungen der Nachbarn nicht: „Sechs Personen auf 105 Quadratmetern bedeuten keine Überbelegung.“ Eindeutige gesetzliche Regelungen zu einer Mindestgröße gebe es hier im Unterschied zu Hamburg nicht. Aber auch dort seien lediglich zehn Quadratmeter pro Person vorgeschrieben. „Aus rechtlicher Sicht haben die Eigentümer der anderen Wohnungen kein Mitspracherecht bei der Auswahl der Mieter“, so Blažek. Der Vermieter hätte sich also für die Flüchtlingsfamilie entscheiden können.
Stimmung im Haus im Gartenholz ist gespalten
Bei einem Besuch im Haus im Gartenholz ist die Stimmung gespalten. Eine Bewohnerin sagt: „Ich hätte nichts gegen die Familie gehabt.“ Den Vermieter kenne sie gut. „Er kann seither nicht mehr ruhig schlafen.“ Er habe es sich nicht einfach gemacht, den Makias abzusagen. „Doch es wurde massiver Druck auf ihn ausgeübt.“
Andere Nachbarn geben zu, „Bedenken“ zu haben, formulieren es aber anders: „Der Vermieter hat auf uns Rücksicht genommen“, wie eine Hausbewohnerin sagt. Sie bestätigt die Befürchtung der anderen Wohnungseigentümer, dass die Familie in Wahrheit mit mehr Personen einziehe oder ständig Besuch bekomme. Die Frage, ob sie die potenziellen Mieter kenne, es Gründe für die Ablehnung gebe, die in den Personen begründet liegen, sagt sie jedoch: „Nein. Und wir wollen sie auch nicht kennen lernen.“ Dazu könne sie niemand zwingen.
Aus dem Treppenhaus ruft ein Mann, der sich zunächst nicht äußern wollte: „Wir sind kein Auffanglager.“ Ein weiterer Nachbar kommt hinzu. Sagt, sich auch gegen den Einzug der Familie ausgesprochen zu haben. „Wir haben erst holterdipolter vor dem Einzug davon erfahren.“ Dann droht er: „Wenn Sie unsere Namen nennen, komme ich in die Redaktion und verrücke dort mal ordentlich die Möbel.“ Der noch im Treppenhaus stehende Mann fügt hinzu: „Und von mir bekommen Sie Post von einem Rechtsanwalt.“
Familie wollte Hausgemeinschaft zum Essen einladen
Die Makias hingegen hatten schon die Zeit nach dem Umzug geplant, wollten die neuen Nachbarn auf ein arabisches Essen einladen. „Meine Mutter ist eine exzellente Köchin“, sagt Ammar. Das wird es nun nicht mehr geben. „Nachdem, was wir gehört haben, wollen wir dort nicht mehr einziehen“, übersetzt er für seinen Vater Hamed.
Dass die Vermittlung von Wohnungen an Flüchtlinge schwierig ist, weiß auch Michael Cyrkel vom Fachdienst Soziale Hilfen und Wohnungsangelegenheiten in Ahrensburg. „Schon allein, weil preiswerter Wohnraum fehlt.“ Ein Fall, in dem fremdenfeindliche Motive offen zu Tage treten „hatte ich jedoch noch nie.“ Allerdings habe die Stadt für Sozialwohnungen ein Belegungsrecht, könne entscheiden, wer einzieht.
Britta Ritterhoff vom Freundeskreis für Flüchtlinge sagt hingegen: „Menschen mit Migrationshintergrund sind nicht die bevorzugten Bewerber. Besonders nicht, wenn sie aus dem arabischen Raum kommen.“ Um Vorurteile abzubauen, arbeite der Freundeskreis daran, einen „Mieterführerschein“, wie er schon in anderen Kommunen angeboten werde, nach Ahrensburg zu holen. „Unsere Häuser sind unterschiedlich, da muss zum Beispiel anders gelüftet werden.“ Das würden die Teilnehmer dort lernen. Anschließend werde ein Zertifikat ausgestellt, das auch dem Vermieter vorgelegt werden kann.
Bürgermeister und Kirche sind fassungslos
Fassungslos über den Vorfall zeigt sich auch Ahrensburgs Bürgermeister Michael Sarach, sagt: „Das ist kontraproduktiv für unsere Integrationsbemühungen.“ Ähnlich sieht das die Beauftragte für Migration und Asyl des evangelischen Kirchenkreises Hamburg-Ost, Hannah Hosseini. Den Flüchtlingen werde so die Chance verwehrt, Teil unserer Gesellschaft zu werden. „Staatsbürgerschaft oder Aufenthaltsstatus dürfen kein Kriterium für einen Mietvertrag werden“, sagt sie. Gleichbehandlung sei ein christliches Gebot.
Ammar Makia wird also weiter nach einer neuen Bleibe für seine Familie suchen. „Zur Not müssen wir die Familie aufteilen. Meine Eltern und meine minderjährigen Schwestern suchen eine Wohnung und ich ziehe mit den Älteren zusammen.“ Das sei jedoch nur die letzte Option. „Schließlich waren wir auf der Flucht und auch hier in Ahrensburg schon getrennt“, sagt der 28-Jährige. Auch nach knapp drei Jahren ist die Familie noch nicht richtig angekommen.