Claudia Sünder wollte vor dem Landgericht Berlin verbieten lassen, dass der Schriftsteller Hanjo Lehmann ihr einen „fast komplett geschwindelten Lebenslauf“ vorwirft. Doch der Kritiker darf sich durch den Gerichtsbeschluss in mehreren Punkten bestätigt fühlen. Sünder dürfte mehr im Fokus stehen denn je.
Die Berliner Senatssprecherin Claudia Sünder gerät in der Affäre um Ungereimtheiten in ihrem Lebenslauf unter Druck. Wie der stern in seiner am Donnerstag erscheinenden Ausgabe berichtet, scheiterte die Sozialdemokratin in einer ganzen Reihe von Punkten vor dem Landgericht Berlin mit dem Versuch, einem Kritiker Aussagen zu verbieten. Sie war dort gegen den Berliner Schriftsteller Hanjo Lehmann vorgegangen, der ein Pamphlet zu ihrem Lebenslauf verfasst und verbreitet hatte, in dem er Sünder als „Flunker-Queen“ und „tölpelhafte FDJ-Pflanze aus Boltenhagen“ verspottet hatte.
In einem Beschluss vom 26. Juli, der dem stern vorliegt, urteilte das Landgericht Berlin jetzt, es gebe „hinreichende Anhaltspunkte für die subjektive Wertung“ von Lehmann, dass Sünder „die Öffentlichkeit hinsichtlich ihrer realen Qualifikationen umfassend getäuscht hat“. Das gelte auch, so das Gericht, für Lehmanns Meinung, dass es sich bei Sünders biografischen Angaben „um einen fast komplett geschwindelten Lebenslauf“ handelt.
„Nicht vergleichbar mit der Führung eines Unternehmens“
Das Gericht untersagte Lehmann zwar eine ganze Reihe von Aussagen, legte Sünder aber immerhin 38 Prozent der Kosten auf. Die Richter übten indirekt auch Kritik an offiziell vom Berliner Senat veröffentlichten Angaben über den Lebensweg der Sprecherin des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD). Dass dort als erste Station der heutigen Sozialdemokratin ab 1988 eine Tätigkeit als „Redakteurin Pressedienst Berlin“ aufgeführt werde, sei insofern „irreführend“, als sich ihre Tätigkeit „auf gänzlich unbedeutende DDR-Regionalzeitungen“ beschränkte habe. Laut Sünders eigenen jüngsten Angaben war sie damals in Ost-Berlin zunächst als Volontärin bei einem Pressedienst für Regionalableger der „National-Zeitung“ tätig, das Organ der DDR-Blockpartei NDPD.
Das Gericht störte sich überdies daran, dass Sünder verbreiten ließ, sie habe ab 1996 die „Leitung“ einer Immobilienfirma in ihrem Heimatort Boltenhagen in Mecklenburg innegehabt. Tatsächlich war sie bei der Gesellschaft aber nicht Mitglied der Geschäftsführung, sondern führte nur ein Filialbüro. Das sei „nicht vergleichbar mit der Führung eines Unternehmens“, fanden die Richter.
Sünder weist den Vorwurf der Unaufrichtigkeit zurück. Sie will nach Angaben des Senats gegen den Gerichtsbeschluss Beschwerde beim Kammergericht einlegen. Wegen des Vorwurfs der Beleidigung ermittelt gegen Lehmann auch die Berliner Staatsanwaltschaft. Wie der stern bereits vorvergangene Woche publik machte, hatten Mitte Juli Polizisten sogar die Wohnung des Autors durchsucht und Handys und Rechner beschlagnahmt. Die 48-Jährige Claudia Sünder amtiert seit Anfang 2017 als Sprecherin der Berliner Landesregierung.