Die Lage an der griechischen Grenze zur Türkei bleibt angespannt. Bewohner der Insel Lesbos gingen mit Gewalt gegen Migranten vor. Berlin warnte die Flüchtenden vor allzu großen Hoffnungen, und kritisierte Präsident Erdogan ungewöhnlich scharf.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den derzeitigen Umgang der Türkei mit Flüchtlingen in ihrem Land scharf kritisiert. Sie verstehe zwar, dass die türkische Regierung von Europa mehr Unterstützung erwarte, sagte sie am Montag. Es sei aber „völlig inakzeptabel“, dass dies „auf dem Rücken der Flüchtlinge“ ausgetragen werde.
Infolge der Eskalation des militärischen Konflikts in Nordsyrien hatte die Türkei am Wochenende ihre Grenzen für Flüchtlinge geöffnet, die in die EU gelangen wollen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan erklärte noch am Montag in einer Fernsehansprache, die Grenzen blieben offen. Es sei nun an der EU, ihren „Teil der Last“ zu tragen.
Die Türkei stehe „vor einer sehr großen Aufgabe“, sagte Merkel. Doch die Regierung in Ankara müsse ihre „Unzufriedenheit“ mit der EU austragen und nicht auf Kosten der Flüchtlinge. Das Thema sei nur zu lösen, indem das EU-Türkei-Abkommen wieder so „hinbekommen“ werde, dass es von beiden Seiten „akzeptiert und umgesetzt wird“.
Zuvor hatte Regierungssprecher Steffen Seibert Flüchtlinge und Migranten in der Türkei vor einem Aufbruch Richtung Europa gewarnt. „Wir erleben zurzeit an den Außengrenzen der EU zur Türkei, auf Land und zur See, eine sehr beunruhigende Situation. Wir erleben Flüchtlinge und Migranten, denen von türkischer Seite gesagt wird, der Weg in die EU sei nun offen, und das ist er natürlich nicht“, sagte er.
Auf die Frage hin, ob der Satz der Kanzlerin weiter gelte, dass sich 2015 nicht wiederholen werde, sagte er: „Der hat seine Gültigkeit.“
Schießübungen im Osten der Ägäis
Einheiten der griechischen Armee werden am Montag auf den Inseln im Osten der Ägäis umfangreiche Schießübungen durchführen. Dies berichtete das griechische Staatsfernsehen unter Berufung auf das Verteidigungsministerium in Athen.
Die Übungen sind aus Sicht von Kommentatoren eine Reaktion Athens auf den Zuwachs von Migranten, die am Vortag aus der Türkei zu den Inseln Lesbos, Chios und Samos übergesetzt hatten. Während seit Jahresbeginn bislang knapp 100 Menschen täglich aus der Türkei kamen, setzten am Sonntag gut 700 Migranten zu den Eilanden über.
Allein auf der Insel Lesbos seien am Sonntagvormittag 220 Migranten angekommen, berichtete die griechische halbamtliche Nachrichtenagentur ANA-MPA unter Berufung auf die Küstenwache.
Reporter vor Ort berichteten, mehr Boote mit Migranten seien auf dem Weg aus der türkischen Ägäisküste nach Lesbos unterwegs. Die türkische Küstenwache beobachte diese Boote, ohne sie daran zu hindern, nach Lesbos überzusetzen, berichtete der Athener TV-Sender Mega.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte am Freitag die Grenzen der Türkei Richtung EU für offen erklärt und damit eine neue Migrationswelle ausgelöst.
Einwohner wollen Migranten aufhalten
Aufgebrachte Einwohner der Insel Lesbos haben nach Medienberichten am Sonntag rund 25 Migranten vorübergehend daran gehindert, aus einem Schlauchboot im kleinen Hafen von Thermi an Land zu gehen. „Go back to Turkey“ („Geht zurück in die Türkei“) riefen sie, wie mehrere griechische Nachrichtenportale berichteten.
Einige Einwohner hätten zudem Journalisten und Mitarbeiter humanitärer Organisationen attackiert, berichteten örtliche Medien. Schließlich seien die Migranten in einer Halle des Hafens der Inselhauptstadt Mytilini untergebracht worden, hieß es im Staatsradio (ERT-Nordägäis). Die Stimmung auf den griechischen Inseln ist explosiv – seit Jahren gibt es dort überfüllte Migrantenlager.