Die Kanzlerin wartet zum 125. Geburtstag der gesetzlichen Rentenversicherung mit einer ernüchternden Botschaft auf.
Berlin. Die gesetzliche Rente wird nach Ansicht von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Zukunft für viele nicht reichen. „Daher bin ich überzeugt, dass sich künftig nur durch eine Mischung gesetzlicher, betrieblicher und privater Altersvorsorge eine angemessene Absicherung im Alter aufbauen lässt“, sagte Merkel am Dienstag bei einem Festakt zum 125-jährigen Jubiläum der Rentenversicherung in Berlin.
„Wir sind gefordert, Altersarmut vorzubeugen und dafür geeignete Lösungen zu entwickeln“, so Merkel. Derzeit erhielten nur drei Prozent der Über-65-Jährigen ergänzend Grundsicherung. Es komme darauf an, dass die Altersvorsorge den Menschen auch in Zukunft ein angemessenes Auskommen ermögliche. Angesichts der Herausforderung müsse die Politik für Weichenstellungen bei der Rente immer wieder parteiübergreifenden Konsens suchen. Es gibt immer mehr Ältere, aber künftig immer weniger Beitragszahler.
Kanzlerin verteidigt Riester-Rente
An den anwesenden ehemaligen Arbeitsminister Walter Riester (SPD) gerichtet sagte Merkel, die geförderte kapitalgedeckte Zusatzvorsorge („Riester-Rente“) stehe zwar bisweilen in der Kritik. „Ich bin aber überzeugt, dass auch dieser Schritt wegweisend war.“ Auch die Rentenreform 1989 des ebenfalls im Publikum vertretenen Ex-Arbeitsministers Norbert Blüm (CDU) würdigte Merkel. Mit ihr sollte die Rente an die demografische Entwicklung angepasst werden.
Heute dominieren bei Blüm – bekannt für seinen Slogan „Die Rente ist sicher“ – bei dem Thema die Sorgen. „Wenn das Rentenniveau weiter so sinkt wie in den letzten Jahren, dann kommt man in die Nähe der Sozialhilfe, was die Rentenversicherung nicht nur um ihren guten Ruf bringt, sondern auch um ihre soziale Sicherungsfunktion“, sagte er der „Saarbrücker Zeitung“ (Dienstag). Ein System, aus dem man mit Beiträgen nicht mehr bekomme als ohne, „erledigt sich von selbst“.
Ost-West-Unterschiede sollen wegfallen
Merkel bekräftigte das Ziel der schwarz-roten Koalition, bis Ende 2019 die Ost-West-Unterschiede im Rentenrecht zu überwinden. Derzeit stehe die Rentenversicherung wegen der guten Arbeitsmarktlage gut da. Für 2014 wird eine Reserve von 33,5 Milliarden Euro erwartet. Durch eine Senkung des Beitragssatzes um 0,2 Punkte auf 18,7 Prozent würden die Beitragszahler im nächsten Jahr mit über 2 Milliarden Euro entlastet. Die Erwerbsbeteiligung Älterer sei stark gewachsen – bei den Menschen ab 60 seit 2000 um über 1,2 auf über 1,9 Millionen.
„Dennoch haben Ältere noch immer geringere Chancen als jüngere, eine Beschäftigung zu finden“, sagte Merkel. Die Unternehmen müssten mehr dazu übergehen, älteren Arbeitnehmern mit ihrer Erfahrung eine Chance zu geben. „Wer frühzeitig aus dem Betrieb ausscheidet, reißt Lücken, die immer schwieriger zu füllen sind.“ Die Koalition wolle nach derzeit andauernden Verhandlungen erreichen, dass Arbeit und Rente künftig noch besser kombinierbar sind.
DGB spricht von einer Daueraufgabe
Die Vorsitzende der Rentenversicherung Bund, Annelie Buntenbach vom Deutschen Gewerkschaftsbund, bezeichnete es als Daueraufgabe für Politik, Rentenversicherung und Selbstverwaltung, den Menschen Sicherheit für eine ausreichende Versorgung nach dem Arbeitsleben zu geben.
Der ehemalige Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) sorgt sich um die Rente. „Wenn das Rentenniveau weiter so sinkt wie in den letzten Jahren, dann kommt man in die Nähe der Sozialhilfe, was die Rentenversicherung nicht nur um ihren guten Ruf bringt, sondern auch um ihre soziale Sicherungsfunktion“, sagte Blüm der „Saarbrücker Zeitung“ (Dienstag). Ein System, aus dem man mit Beiträgen nicht mehr bekomme als jemand, der keine Beiträge gezahlt habe, „erledigt sich von selbst“.
Weil die Zahl der Alten zunimmt und es immer weniger Beitragszahler gibt, sinkt der Grad der Absicherung der Rente. Blüm hatte 1986 mit einer Kampagne um Vertrauen für die Rentenversicherung geworben. Auf 15 000 großen Plakaten wurde verkündet: „Denn eins ist sicher: Die Rente.“ Immer wieder betonte er fortan: „Die Rente ist sicher.“ An diesem Dienstag wird das 125-jährige Jubiläum der gesetzlichen Rentenversicherung in Berlin mit einem Festakt begangen.
Spahn fordert Neuausrichtung der Rentenpolitik
Zum 125-jährigen Jahrestag der Rentenversicherung fordert der CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Spahn (34) eine neue Ausrichtung der schwarz-roten Rentenpolitik. „Wir müssen wieder mehr den Blickwinkel derer einnehmen, die am Anfang des Berufslebens stehen und sich etwas aufbauen wollen“, sagte Spahn der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
Kritik an der Rente mit 63
Spahn mahnte die richtigen Signale an. „Jeden Tag steigt die Lebenserwartung im Schnitt um sechs Stunden, ein bisschen davon werden wir auch mehr arbeiten müssen, um die Alterssicherung zu bezahlen“, sagte er.“Das fatale Signal der Rente mit 63 ist ja, dass das geleugnet wird.“ Kern der bisherigen schwarz-roten Rentenpolitik ist die abschlagsfreie Rente mit 63 und die erweiterte Mütterrente. Von der Rente mit 63 profitierten vor allem gut verdienende Facharbeiter, so Spahn. „Das kostet doppelt: fehlende Beitragszahlungen und hohe Rentenzahlungen.“ Zu 85 Prozent profitierten zudem Männer.
Jüngere fragten zu Recht, was sie am Ende 2050 oder 2060 rausbekommen, sagte Spahn. Er bewirbt sich auf dem anstehenden CDU-Parteitag als Vertreter der Jüngeren für das Parteipräsidium. Es wäre schlecht, „wenn es an der Spitze der letzten verbliebenen Volkspartei in Deutschland niemanden mehr unter 40 gäbe“, argumentierte Spahn.
Enttäuschung über die Riester-Rente
„Die deutsche Rente steht im europäischen Vergleich gut da“, betonte der Politiker. „Aber die Übergänge müssen flexibler werden.“ Immer mehr Menschen über 60 stünden mitten im Berufsleben, viele wollten auch jenseits der 65 oder 67 noch arbeiten, teilweise in Teilzeit. Spahn forderte Anreize für Unternehmen zur Beschäftigung Älterer und etwa eine Flexi-Rente. „Und die private und betriebliche Vorsorge müssen noch weiter gestärkt werden.“ Von der Riester-Rente heute mit hohen Abschlusskosten seien viele zu Recht enttäuscht. „Da sollten wir nochmal ran“, verlangte er.
Nach ihrer Gründung vor 125 Jahren hatte die Rentenversicherung einen Durchschnittsbeitragssatz von 2 Prozent des Lohns – heute beträgt er 18,9 Prozent. Nach einer Absenkung um 0,2 Punkte im kommenden Jahr soll der Beitragssatz mittelfristig wieder steigen.
Gründung der Versicherung geht auf Bismarck zurück
Besondere Bedeutung hatten anfangs die Invalidenrenten. Altersrente bekam man im Prinzip erst mit 70 nach 30 Beitragsjahren. Die Lebenserwartung eines Mannes betrug damals aber nur gut 37 Jahre im Schnitt. Heute fließen jährlich 260 Milliarden Euro in die Rentenkasse. Die Gründung der Versicherung geht auf Kanzler Otto von Bismarck zurück. Bismarck wollte der immer bedrohlicheren sozialen Frage begegnen und eine weitere Radikalisierung der Arbeiter stoppen. (dpa)