Mit der Befragung von Zeugen ist gestern der Prozess wegen versuchten Mordes gegen einen 51-jährigen türkischstämmigen Mann vor dem Landgericht Ulm fortgesetzt worden. Es wird ihm vorgeworfen, seine damals 30-jährige Frau und deren 40-jährigen Bruder im Gebäude der früheren Gaststätte „Harmonie“ in Göppingen mit einer Gasdruckpistole schwer verletzt zu haben. Hintergrund war laut Anklage, dass der Mann sich in seiner Ehre verletzt gefühlt hat. Die Frau hatte sich von dem damals 50-Jährigen getrennt, weil dieser sie brutal verprügelt haben soll.
Am vierten Verhandlungstag wurden weitere Bewohner des Gebäudes und Nachbarn zu den Geschehnissen in jener Nacht vom 21. auf 22. November 2018 befragt. Ein 25-Jähriger sagte aus, er und ein Freund seien von Krach und Schüssen aus dem Schlaf gerissen worden. Eine Frau, die mit ihrem kranken Sohn ein Zwei-Zimmer-Appartement im Gebäude bewohnt, schilderte, dass ein großer Mann mit einer Pistole und einer blutenden Wunde am Kopf plötzlich in ihre Räume eingedrungen sei. Sie habe ihn für einen Polizisten gehalten. In Wahrheit handelte es sich wohl um den Angeklagten, der seine Frau suchte. Der 51-Jährige gab auch zu, die Türe aufgeschlagen und in die Wohnung der Frau gegangen zu sein. Das habe er getan, weil er im Treppenhaus keine Luft mehr bekommen habe. Denn der 51-Jährige gab an, dass sein Schwager eigentlich mit der Gaspistole geschossen habe und bestreitet sämtliche gegen ihn erhobenen Vorwürfe.
Die folgenden Zeugenaussagen zeichneten jedoch das Bild von einem Angeklagten, der bei seinen Handlungen mit äußerster Brutalität vorgegangen ist. Eine Nachbarin sagte aus, der Schwager des 51-Jährigen habe auf der Straße immer wieder voller Verzweiflung geschrien: „Der bringt uns um. Die Polizei muss sofort kommen.“ Ein Glucksen sei zu hören gewesen, gerade so als ob jemand keine Luft mehr bekomme, so die Zeugin. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 51-Jährigen vor, dass er seine Frau im Anschluss an die abgefeuerten Schüsse erwürgen wollte. Zunächst soll er die Glastüre des Gebäudes eingeschlagen haben und dann in die Wohnung des Schwagers eingedrungen sein. Dort soll er seiner schlaftrunkenen Frau die Pistole drei Mal an den Körper gedrückt und geschossen haben. Dabei verlor sie ein Auge. Den Schwager soll er mit einem aufgesetzten Bauchschuss verletzt haben. Der 51-Jährige soll dann versucht haben, seine Frau mitzunehmen und sie zu erwürgen.
Wie Zeugen aussagten, habe der Bruder der Frau das verhindern können, indem er mit einer Metallstange aus der aufgebrochenen Haustüre auf den Angeklagten eingeschlagen habe. Der 51-Jährige sei dann nach einem Gerangel mit seinem Schwager vor der Polizei mit dem Auto geflüchtet. Ein Unfall zwang ihn, stehen zu bleiben.
Wie die Mutter und der Stiefvater des Opfers angaben, habe der 51-Jährige ihnen gegenüber mehrmals angekündigt, die Frau töten zu wollen. „Deine Tochter bringe ich um“, habe er gesagt, erzählte die Mutter. Erschütternd auch die Aussage einer 47-Jährigen, die der Angeklagte in einer Klinik heimsuchte, offenbar in dem Glauben, es sei seine Frau. Da die Person den gleichen Namen trägt, hatte der 51-Jährige sie ausfindig gemacht. Sie solle froh sein, dass eine Verwechslung vorliegt, sonst hätte sie nun sterben müssen, soll der Angeklagte bei seinem Auftritt sinngemäß gesagt haben.
Der Angeklagte, der von Rechtsanwalt Jan Schaufler vertreten wird, wurde immer wieder von Richter Wolfgang Tresenreiter zurechtgewiesen, da er Zeugenaussagen kommentierte oder dazwischenredete. „Ich rede jetzt“, machte Tresenreiter dem Angeklagten klar, als dieser wieder zu einer seiner Ausführungen ansetzte. Die Geschädigten haben sich dem Prozess als Nebenkläger angeschlossen und werden von Rechtsanwalt Alexander Stumpf und Rechtsanwältin Cecile Behrendt vertreten. Die Aussagen der Opfer werden am Dienstag erwartet.