Wahlplakate der rechtsextremen NPD mit dem Slogan „Migration tötet“ sind nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Gießen nicht volksverhetzend, sondern beschreiben teilweise die Realität. Für den zuständigen Richter ist „der objektive Aussagegehalt ‚Migration tötet‘ eine empirisch zu beweisende Tatsache“.
Das geht aus einem Urteil hervor, über das das Redaktionsnetzwerk Deutschland und das Rechtsmagazin „Legal Tribune Online“ berichten. Demnach kommt das Gericht in seiner Entscheidung zu dem Schluss, dass die Gemeinde Ranstadt den hessischen Landesverband der NPD nicht dazu auffordern durfte, im Europawahlkampf die Plakate mit dem Spruch „Stoppt die Invasion: Migration tötet“ zu entfernen.
Der Richter, der das Urteil alleine fällte, begründet seine Entscheidung mit den „historischen Wanderungsbewegungen“, für die er Beispiele aus der Zeit von 3.000 vor Christus bis in die Gegenwart findet: Von der „Entstehung der Sahara“, die eine Wanderungsbewegung auslöste, über den Auszug der Israeliten aus Ägpyten bis zur europäische Besiedelung Amerikas spannt er einen weiten Bogen. „Aus den zitierten beispielhaften historischen Wanderungsbewegungen wird deutlich, dass Migration tatsächlich in der Lage ist, Tod und Verderben mit sich zu bringen“, so der Richter.
„Ein schleichender Untergang wie einst im römischen Weltreich“
Seine Urteilsbegründung reichert der Jurist zudem mit Zahlen an, die eine gestiegene Kriminalität von Zuwanderern beispielsweise bei Sexual- und Tötungsdelikten belegen sollen. Es folgen Hinweise zur Kölner Silvesternacht 2015, zu Salafismus, Ehrenmorden und Blutrache. „Hier eine reale Gefahr zu negieren hieße, die Augen vor der Realität zu verschließen“, heißt es. Und: „In der Tat hat die Zuwanderungsbewegung nach Deutschland ab dem Jahr 2014/2015 zu einer Veränderung innerhalb der Gesellschaft geführt, die sowohl zum Tode von Menschen geführt hat als auch geeignet ist, auf lange Sicht zum Tod der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu führen. Sollte die Bundesrepublik Deutschland nicht mehr in der Lage sein, das Gewaltmonopol innerhalb ihrer Grenzen effektiv und wirksam auszuüben, ist hiermit ein schleichender Untergang verbunden, wie es einst im römischen Weltreich auch der Fall war.“
Der Klage der NPD gibt der Richter daher statt, denn: „Gerade in Zeiten politischer Wahlwerbung kann es daher dem Kläger (der NPD, Anm. d. Redaktion) nicht verwehrt sein, mit den inkriminierten Plakaten auf möglicherweise in Deutschland herrschende Missstände hinzuweisen und für ihre Ziele zu werben.“
Berufung ist möglich
Das Urteil vom 9. August ist noch nicht rechtskräftig. Der Richter ließ wegen grundsätzlicher Bedeutung die Berufung zum Hessischen Verwaltungsgerichtshof zu (Az.: 4 K 2279/19.GI). Nach Angabe des Rechtsmagazin „Legal Tribune Online“ hat die beklagte Stadt bereits Berufung eingelegt. Eine Entscheidung wird erst im kommenden Jahr fallen.
Dem Magazin zufolge handelt es sich bei dem Richter um keinen Unbekannten. Er sei am Verwaltungsgericht Gießen auch verantwortlich für Asylsachen und habe die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Asylrecht massiv angegriffen.