Die Alternative für Deutschland hatte bei ihrer Gründung 2013 ein wirtschaftsliberales Konzept. Nicht zuletzt der Bundesparteitag am Wochenende in Augsburg hat gezeigt: Diese Zeiten sind vorbei. Das zeigt sich beispielhaft auch an Björn Höckes Rentenkonzept, das er schon im Juni vorgestellt hatte.
Geht es nach dem Willen des Thüringer AfD-Landeschefs, sollen Rentner, die weniger als 1500 Euro im Monat zur Verfügung und 35 Jahre lang Beiträge gezahlt haben, einen Aufschlag aus Steuermitteln erhalten. Dieser Zuschuss soll aber nur für deutsche Staatsbürger gelten. „Das ist sozialpopulistisch“ sagt Politik-Experte Jürgen Falter im Gespräch mit FOCUS Online.
„Wir müssen Identität und Solidarität zusammen denken, dann werden wir die einzige Volkspartei sein“, hatte Höcke auf dem Augsburger Parteitag gesagt. Um das zu erreichen, geht er auf die sozial schwächer Gestellten zu und bedient damit das AfD-Wahlklientel.
Überproportional viele Arbeiter unter den AfD-Wählern
Falter glaubt, dass die AfD diese Strategie weiter gezielt ausbauen werde. „Die Informierten in der AfD-Führung wissen, dass sie momentan die Arbeiterpartei in Deutschland sind. Prozentual haben sie die meisten Arbeiter in ihrer Wählerschaft.“ Höcke passe sich mit diesem Konzept an seine Klientel an, „an Menschen mit wenig Einkommen“.
Hinter dieser neuen Strategie dürfte auch die Überlegung stecken, für die anstehenden Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen, die alle 2019 stattfinden, neben dem Dauerthema Migration ein zweites, zugkräftiges zu entwickeln. Die Partei versucht, sich als Versteher der Armen zu präsentieren. Das könnte vor allem im Osten verfangen, in dem die Arbeitslosigkeit mit 7,6 Prozent immer noch höher ist als im Westen mit 5,3 Prozent.
„Das erinnert an Slogans, die die Kommunisten in der Weimarer Republik verwendet haben“
Dieses Vorgehen passt zu den andauernden Angriffen auf die traditionellen Arbeiterparteien – die Sozialdemokraten und die Linken. Das Schlagwort von der SPD als „Arbeiterverräterpartei“ macht in AfD-Kreisen die Runde. „Das erinnert an Slogans, die die Kommunisten in der Weimarer Republik verwendet haben“, weiß der Politik-Experte. Auch damals war das Ziel, die Wählerschaft der Sozialdemokraten zu kapern. Der Unterschied: Kamen diese Angriffe in der Weimarer Republik von links, so kommen sie heute von rechts.
„Die AfD als stärkste Kraft ist durchaus möglich“
Höcke prophezeite auf dem Parteitag in Augsburg, es werde bald den ersten blauen Ministerpräsidenten geben. Soweit will Falter nicht gehen: „Die AfD wird keinen Ministerpräsidenten stellen, weil keine Koalition zustande kommt.“ Doch auch wenn er nicht glaubt, dass das Thema soziale Gerechtigkeit der AfD „noch sonderlich viele Stimmen einbringen wird“, könnte dieser Ansatz bei den kommenden Landtagswahlen trotzdem eine Gefahr für die anderen Parteien sein. „Die AfD als stärkste Kraft ist durchaus möglich.“
Experte: „‚Germany First‘ hieß früher ‚Deutschland über alles‘“
Rechtsausleger Höcke trüge zum Erstarken der AfD seinen Teil bei: „Man darf ihn nicht unterschätzen. Er kommt mit seinen bewusst extrem formulierten Thesen bei einem Teil der AfD-Wähler gut an“, sagt der Politik-Experte. Höckes Idee eines Renten-Konzepts mit der Bevorzugung deutscher Staatsbürger „könnte man überschreiben mit ‚Germany First‘“, so Falter. „Das hieß früher ‚Deutschland über alles‘“. Die Wahlen im nächsten Jahr werden zeigen, ob sich der Fokus auf die soziale Gerechtigkeit im Land für die AfD bezahlt gemacht hat.