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Jan 25

Prozess in Augsburg: 13-Jährige in Zwangsehe missbraucht

In Augsburg wurde der Fall einer Zwangsehe verhandelt. Der Vorwurf: schwerer sexueller Missbrauch eines Kindes.
Foto: Johannes Eisele, dpa (Symbolbild)

Im Jahr 2003 wurde eine Zwangsehe nach islamischem Ritus geschlossen. Jetzt muss sich Iraker wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes verantworten.

Mitten in Deutschland ist im Jahre 2003 ein gerade mal 13 Jahre altes irakisches Mädchen aus Augsburg von seinem Vater an den damals 32-jährigen Cousin verkuppelt worden. Gegen seinen Willen wurde das Kind in einer Moschee in Nürnberg nach islamischem Ritus zwangsverheiratet. Vier Monate später gab der Ehemann die Kinderbraut wieder den Eltern zurück, weil sie seinen sexuellen Bedürfnissen nicht wie gewünscht nachkam. Jetzt, fast 14 Jahre später, ist der Iraker von seiner Vergangenheit eingeholt worden. Weil er damals mit dem Mädchen, das noch keine 14 Jahre alt war, den Geschlechtsverkehr, einmal sogar gewaltsam ausübte, stand er nun vor Gericht. Der Vorwurf: schwerer sexueller Missbrauch eines Kindes.

Das Problem von zwangsverheirateten Kindern, vor allem Mädchen, ist durch die Flüchtlingskrise wieder offenkundig geworden. So sind im Ausländerzentralregister allein 361 Kinder unter 14 Jahren als verheiratet eingetragen. In vielen muslimisch geprägten Ländern werden solche Kinder-Ehen toleriert. Der Fall, den ein Schöffengericht unter Vorsitz von Susanne Hillebrand jetzt abzuurteilen hatte, war aus vielerlei Gründen äußerst ungewöhnlich.

Am 13. Geburtstag verheiratet

Die irakische Familie war mit ihrer Tochter damals von Rostock nach München gezogen. Weil das Leben in der Landeshauptstadt zu teuer war, bot der Cousin des Mädchens an, die Familie könne in seine Wohnung nach Augsburg ziehen. Dies geschah auch. Der damals 32-jährige Iraker hatte in dieser Zeit nach einer Braut Ausschau gehalten. Der Vater soll nun dem Verwandten seine eigene Tochter als Ehefrau angeboten haben.

Dem gefiel dieser Vorschlag offenbar. So kam es, dass das Mädchen an seinem 13. Geburtstag Anfang 2003 gegen den Willen in einer Moschee in Nürnberg von einem Imam zwangsverheiratet wurde. Bereits wenige Tage später nahm der Iraker sein vermeintliches Recht als Ehemann wahr und vollzog mit seiner Kindfrau den Geschlechtsverkehr. Einmal soll er das schreiende Kind sogar vergewaltigt haben. Vier Monate nach der islamischen Eheschließung brachte der Iraker seine Frau wieder zu ihren Eltern zurück. Er könne sie nicht brauchen, sie wolle keinen Sex, soll er gesagt haben.

Nach der gescheiterten Zwangsehe trennten sich die Wege: Der Iraker zog nach Bielefeld, heiratete später erneut, wurde zweimal Vater. Die Familie des Mädchens verließ ebenfalls Augsburg in Richtung Norden. Vor mehr als einem Jahr wurden die Ereignisse aus dem Jahre 2003 wieder aktuell.

Die damalige Kinderbraut und ihre Mutter waren in ein Frauenhaus gezogen, nachdem sie vom Vater verprügelt worden waren. Dort erzählten sie ihre Lebensgeschichte – auch die Geschichte der Zwangsheirat und des sexuellen Missbrauchs. Die Kripo begann, was eigentlich nicht Absicht der inzwischen 26 Jahre alten Frau war, zu ermitteln. Denn es lag ein so genanntes Offizialdelikt vor.

Bereits vor dem Prozesstermin hatten die Anwältin des Opfers, Mandana Mauss, und der Verteidiger des Angeklagten, der aus dem Höxter Mordprozess bekannte Anwalt Carsten Ernst, an einer für beide Seiten akzeptablen Lösung gearbeitet. Mandana Mauss: „Meine Mandantin hat kein Interesse an einer Strafverfolgung. Sie kann inzwischen mit dem Erlebten umgehen. Es wäre aber fatal gewesen, wenn sie hätte im Prozess aussagen müssen. Sie wäre retraumatisiert worden“. So kam es noch während der Verhandlung zu einem Täter-Opfer-Ausgleich.

Mann bezahlt Schmerzensgeld

Der Iraker holte ein Kuvert mit einem Bündel Geldscheinen aus der Tasche und übergab an Anwältin Mauss 2000 Euro Anzahlung auf ein Schmerzensgeld von insgesamt 10000 Euro. Der Angeklagte bekannte sich zu seiner Schuld, räumte alle Vorwürfe ein. Das Geständnis ersparte dem Opfer die Aussage. Weil dies bereits im Vorfeld angekündigt worden war, hatte das Gericht auf Zeugen verzichtet. Die entscheidende Frage war am Ende: Muss der Angeklagte ins Gefängnis? Ja, sagte Staatsanwalt Benjamin Rüdiger, verwies auf die Mindeststrafe von zwei Jahren für jedes Einzeldelikt.

Angeklagt waren drei Fälle – die Spitze des Eisbergs. Der Ankläger wollte den Iraker für drei Jahre und vier Monate hinter Gittern sehen. Anwalt Carsten Ernst sagte, eine Vollzugsstrafe, also Gefängnis, sei 13 Jahre nach den Ereignissen nicht mehr nötig. Täter und Opfer hätten längst ein neues Leben begonnen, sein Mandant sei nicht mehr straffällig geworden. Eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren sei angemessen.

Das Schöffengericht folgte dem Antrag der Verteidigung. Ob die Staatsanwaltschaft in Berufung geht, ist noch unklar.

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