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Mrz 01

Raubmord in Höfen„Unterm Bett liegt ein Küchenmesser“: Anwohner rüsten nach brutalem Doppelmord auf


Das Haus, in dem nach einem Raubmord zwei Leichen und eine schwer verletzte Frau gefunden wurden, FOCUS Online

Alpenpanorama, sanfte Hügellandschaft, ländliches Idyll: Dafür ist Höfen, ein Dorf in Oberbayern, bekannt. Bis zum vergangenen Wochenende. Da geriet der Ort nahe Bad Tölz wegen eines brutalen Raubmords in die Schlagzeilen. Die Anwohner sind verunsichert, erzählen von seltsamen Beobachtungen – und setzen sich zur Wehr.

Nichts ist mehr, wie es einmal war. Die Blicke von Elisabeth K. (Name geändert) wandern aufgeregt hin und her, sie wirkt aufgewühlt, nervös, redet wild durcheinander. Und das obwohl sie in ihrem eigenen Haus steht. Doch in ihren vier Wänden in Höfen, einem beschaulichen Weiler in Oberbayern, fühlt sich die 60-Jährige nicht mehr sicher.

„Seit ich 16 war“, sagt sie verzweifelt und zieht dabei an einer Zigarette, „hab ich keinen einzigen „Tatort“ verpasst. Ich war bis jetzt immer ein Krimi-Fan.“ Doch nun hat Elisabeth K. den Tatort quasi vor der Haustür. Denn das Grauen hat nur zwei Grundstücke weiter in einem Einfamilienhaus zugeschlagen.

Was die Polizei bisher weiß

Die Ermittler gehen derzeit von einem brutalen Raubmord aus. Bei den beiden Todesopfern handelt es sich um einen 81-Jährigen aus Nordrhein-Westfalen und eine 76 Jahre alte Frau aus dem Raum Frankfurt am Main. Beide starben eines gewaltsamen Todes durch stumpfe Gewalt und waren zu Besuch in Höfen. Eine Tatwaffe gibt es bisher nicht. Die schwer verletzte Hausbesitzerin (76) liegt in einem Krankenhaus und konnte noch nicht vernommen werden. Sie ist womöglich die einzige Zeugin der Tat. Von den Tätern fehlt bisher jede Spur. Den Tatzeitraum können die Ermittler auf Mittwochabend bis Samstagvormittag eingrenzen.

Was, wenn die Täter noch in der Gegend sind?

Dort fand die Polizei am späten Samstagabend die beiden Leichen eines 81 Jahre alten Mannes aus Nordrhein-Westfalen und einer 76-Jährigen aus dem Raum Frankfurt am Main. Daneben entdeckten die Beamten eine schwerverletzte ältere Frau: die 76 Jahre alte Besitzerin des großen Einfamilienhauses, die wohl nur mit viel Glück überlebte. Die Ermittler gehen von einem Raubmord aus, die Staatsanwaltschaft München II ermittelt wegen zweifachen Mordes und versuchten Mordes. Die Täter: flüchtig.

Genau das ist es, was die Menschen am Rosenmontag in Höfen in der Gemeinde Königsdorf umtreibt. Was wenn die Täter noch in der Gegend sind? Was wenn es ein Einbruch war, der derart eskalierte? „Heute kann uns nichts passieren“, sagt eine junge Mutter, während sie ihren Sohn im Arm hält. Denn auch Tage nach der Tat, die sich laut Polizei irgendwann zwischen Mittwochabend und Samstagvormittag abgespielt haben muss, sind noch eine Menge Beamte in Höfen im Einsatz.

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FOCUS Online Raubmord in Höfen

Fröhliche Kinderrufe zur Arbeit der Spurensicherung

„Enemenemeck“ und „Hex, hex!“ hallen die unbeschwerten Kinderrufe durch Höfen, während nebenan die Spurensicherung die Brutalität des Doppelmords rekonstruiert. Im Licht der untergehenden Abendsonne tollen fünf Kinder auf einem Trampolin herum. Sie kreischen fröhlich, als wäre in Höfen nichts passiert.

Die ländliche Idylle ist trügerisch. Das Tölzer Land zählt zu den reichsten und wohlhabendsten Gegenden in Deutschland. Das wissen auch Einbrecher. Im Fall Höfen kam wohl auch die Abgeschiedenheit hinzu, die den Tätern leichtes Spiel ließ.

Eine der wohlhabendsten Gegenden Deutschlands

Die Einkommen liegen in der Region weit über dem bundes- und auch über dem bayernweiten Durchschnitt. 2011 betrug das verfügbare Einkommen in den Haushalten im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen laut Bayerischem Landesamt für Statistik 23.951 Euro je Einwohner. Damit gehörte Bad Tölz-Wolfratshausen zu den Top Ten-Landkreisen in Bayern.

Im vergangenen Jahr, so erzählt es ein älteres Ehepaar, hätten mehrmals fremde Leute nach Jobs wie Gartenarbeit gefragt. Und auch den nahegelegenen Wald hätten sie ausgekundschaftet, sagt der Mann. Man habe dann die Polizei verständigt und die sei ein paar Mal Streife gefahren.

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Dorfidyll im Alpenvorland

Wer sich in Höfen umsieht, dem fallen die großzügig angelegten Anwesen mit Garten und Terrasse auf. An den Fassaden hängen Praxisschilder von Augenarzt oder Heilpraktiker. Viele Familien wohnen hier, aber auch ältere Menschen. Meterhohe bis auf den Millimeter genau geschnittene Hecken sollen die Anwesen vor neugierigen Blicken schützen. Andere Gärten hingegen umgibt nicht einmal Gartenzaun. Dorfidyll im Voralpenland.

Elisabeth K., eine etwas extrovertierte Person mit orangener Brille und grauen langen Haaren, wohnt seit 20 Jahren in Höfen. Eigentlich war sie aus dem Münchner Stadtteil Schwabing hierhergezogen, um Ruhe zu finden und ihre kranke Mutter zu pflegen. Doch jetzt will sie nur noch weg. Wenn sie über die turbulenten Stunden der Samstagnacht spricht, schießen ihre Gedanken durcheinander.

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„Dann hat es mir die Füße weggezogen“

„Ein scheiß Gefühl ist das hier“, flucht sie. Ein Polizist hatte der Nachbarin am Samstagabend, nach stundenlanger Ungewissheit, berichtet, was passiert war: „Da wurde eingebrochen und noch vieles mehr“, sagte der Beamte. „Dann hat es mir die Füße vom Boden weggezogen“, erzählt die 60-Jährige. Wenig später habe sie gehört, in dem Haus lägen noch zwei Menschen.

Die 76 Jahre alte Hausbesitzerin, die bei dem Überfall schwer verletzt wurde, habe ein sehr selbstständiges Leben geführt, sei oft nach München gefahren und habe dort bei einer Freundin übernachtet. Deswegen sei es auch nicht aufgefallen, dass die Opfer womöglich tagelang in dem Haus lagen, erzählt die Nachbarin.

Es klingelt an der Tür. Ein Mann mit grauem Poloshirt von einer Sicherheitsfirma betritt den Raum. Elisabeth K. empfängt ihn freudig. Der Mann installiert eine Alarmanlage im Haus. Die Firma habe ihr auch die Fenster eingebaut und sei nach dem Raubmord von selbst auf die 60-Jährige zugekommen. Am nächsten Tag wolle der Mitarbeiter nochmal in Höfen vorbeikommen und auch andere Anwohner von Alarmanlagen überzeugen, sagt er. Dann heult die Alarmanlage schrill auf. Test bestanden. Elisabeth K. atmet auf. Die 60-Jährige vertraut lieber nicht auf das Schicksal. „Damit der Spuk bald ein Ende hat.“ Draußen hat sich inzwischen wieder die Dunkelheit über den beschaulichen Weiler gelegt.

Taschenlampe und Küchenmesser unter dem Bett

Elisabeth K. schläft seit dem Doppelmord nur noch mit Licht. Unter ihrem Bett hat sie jetzt eine große Taschenlampe, einen Schraubenzieher zum Zustechen und ein großes Küchenmesser deponiert, wie sie sagt.

Die sternklare Nacht auf Faschingsdienstag mutet gespenstisch an. An den Einfamilienhäusern brennen rote Laternen, Lichter und Scheinwerfer. Den Vorgarten des Hauses, wo sich der Raubmord abspielte, leuchtet ein Flutlichtmast aus und zwei Polizisten halten an dem Anwesen Nachtwache. Ansonsten ist es ruhig.

Ein Anwesen wie ein Englischer Garten

Vor dem großen, mit schwarzem Holz verkleideten Haus fallen die rund 15 Meter lange Hofeinfahrt und die perfekt geschnittenen Büsche und Hecken ins Auge – fast wie in einem Englischen Garten sieht es aus. Unterhalb des großen Balkons ist eine weiße Jalousie heruntergelassen, die den Blick ins Hausinnere versperrt.

Ortswechsel. Auch im Nachbarort Königsdorf diskutieren die Menschen über den brutalen Doppelmord. „Grattler sind des“, schimpft ein Mann, der Mitglied bei der Feuerwehr ist, in einem Gasthaus über die flüchtigen Täter. Immer wieder tuscheln die Menschen über die Tat.

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Fasching im Schatten des Raubmords

Auch am Faschingsdienstag, das sonnige Frühlingswetter von Rosenmontag ist Schneeregen gewichen, rätselt nicht nur die Polizei über die Bluttat. Doch der Alltag muss weitergehen. Am Nachmittag schiebt sich der Faschingszug durch Königsdorf. Der Mann von der Feuerwehr sorgt darfür, dass die Hauptstraße gesperrt ist und der Gaudiwurm durch den Ort ziehen kann.

Und dreieinhalb Kilometer weiter wirbt der Mann mit dem grauen Poloshirt für Alarmanlagen.

Quelle

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