Die Amadeu-Antonio-Stiftung wollte einem CDU-Politiker untersagen lassen, vor ihrem Ratgeber für Erzieher zu warnen. Das Verwaltungsgericht Berlin wies sie nun in die Schranken.
Die Amadeu-Antonio-Stiftung veröffentlichte im Herbst eine umstrittene Broschüre für das Personal von Kitas und entfachte damit eine Debatte. Die Broschüre wende sich gegen Vorurteile, schüre dabei aber selbst welche, sagte der CDU-Politiker Falko Liecke. Er ist Vizebürgermeister und Jugenddezernent im Berliner Bezirk Neukölln und riet Kita-Mitarbeitern davon ab, die Broschüre zu nutzen. Mit dem Heft wollte die Stiftung auf Rechtsextremismus und Diskriminierung in Kitas reagieren. Es enthält Hinweise für Erzieher, wie man rechtsextreme Eltern identifiziere könne.
Ein Fallbeispiel aus der Broschüre lässt sich so interpretieren, dass bereits ein Mädchen mit Zöpfen, das daheim zur Handarbeit angeleitet wird, unter Umständen rechtsextreme Eltern hat. Liecke sagte, Erzieher seien nicht dafür zuständig, die politische Gesinnung der Eltern zu prüfen. In einer Pressemitteilung liess er kein gutes Haar an der mit Steuermitteln geförderten Broschüre.
Bespitzelung von Familien?
Damit wollte sich die Amadeu-Antonio-Stiftung nicht abfinden und klagte auf Unterlassung. Sie versuchte, vom Verwaltungsgericht Berlin feststellen zu lassen, dass Liecke mit der Pressemitteilung seine Kompetenzen überschritten habe. Wäre es nach der Stiftung gegangen, hätte er die Kritik in seiner Funktion als Amtsträger nicht wiederholen dürfen. Wie am Dienstag bekanntwurde, lehnte das Gericht den Antrag der Stiftung jedoch ab. Liecke darf damit weiterhin offiziell die Auffassung vertreten, die Broschüre vermittle Vorurteile und animiere zur Bespitzelung von Familien. Das Gericht gelangte zu dem Schluss, Lieckes Kritik enthalte «weder wahrheitswidrige Tatsachenangaben noch unvertretbare Wertungen».
Die Stiftung beharrt zwar auf ihrer Position, will aber laut einer Sprecherin keine Rechtsmittel gegen den Beschluss einlegen. Man bedauere allerdings, dass «das Wohl der Kinder» wegen des öffentlichen Streits in den Hintergrund gerückt sei, heisst es in einer Pressemitteilung. Gemäss einer Studie des Deutschen Kinderhilfswerks gebe es in der Mehrzahl der Kitas Erfahrungen mit Rechtspopulismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Aus Sicht der Stiftung verstiess das Bezirksamt mit der Kritik an der Broschüre gegen das Sachlichkeitsgebot für staatliche Institution und habe somit aktiv in die freie Meinungsbildung eingegriffen. Liecke und das Bezirksamt hätten «die dringend notwendige Debatte um Menschenfeindlichkeit in Kitas unterlaufen», sagte Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Stiftung. Die Broschüre sei dabei bewusst verzerrt dargestellt worden.
Das Gericht zog ein anderes Fazit: Liecke habe den Inhalt der Broschüre zutreffend zusammengefasst. Ausserdem dürfe er sich in seinem Amt zu der Broschüre äussern, was von der Stiftung bezweifelt worden war. Liecke begrüsste die Entscheidung und sagte gegenüber der NZZ: «Ich lasse mir keinen Maulkorb verpassen von solchen Stiftungen.» Wenn er sehe, dass etwas verkehrt laufe, wolle er die Öffentlichkeit darüber informieren. Für ihn als gewählten Volksvertreter sei das sogar seine Pflicht. Liecke bezweifelt, dass die Stiftung im öffentlichen Interesse handelt, und regte an, deren staatliche Förderung zu prüfen. Die erbittert geführte Debatte um die Kita-Broschüre dürfte somit nicht das letzte Kapitel im Konflikt um die Stiftung sein.