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Dez 17

Schule lehnt Kind von AfD-Politiker ab: So rechtfertigt sich ein Waldorf-Sprecher

Schüler gehen die Treppenstufen hinauf in eine Schule (Symbolbild)

Ein Kind wird von einer Berliner Waldorfschule abgelehnt. Daran ist erst einmal nichts Ungewöhnliches – am Grund der Ablehnung dagegen schon. Denn: Das Kind wird nicht aufgenommen, weil sein Vater für die AfD im Berliner Abgeordnetenhaus sitzt.

Laut „Berliner Zeitung“ gab es an der Schule Befürchtungen, dass der Vater den Schulfrieden gefährden würde. Der endgültigen Entscheidung vorausgegangen war eine Elternversammlung, bei der der Fall diskutiert wurde. Außerdem wurden der AfD-Abgeordnete und seine Frau Ende November von etwa 20 Lehrern befragt, unter anderem zu politischen Überzeugungen, heißt es in dem Bericht weiter.

„Um eine einvernehmliche Lösung des Konfliktes wurde gerungen – sie konnte aber nicht erreicht werden“, zitiert der Bericht den Geschäftsführer des Trägervereins der betreffenden Schule. Die Schule sehe jedoch keine Möglichkeit, das Kind angesichts des Konflikts mit der nötigen Unvoreingenommenheit und Unbefangenheit aufzunehmen. Weil der Fall auch künftig Konfliktpotenzial berge, habe man diese Entscheidung getroffen.

Dürfen Privatschulen Kinder wegen der Gesinnung der Eltern ablehnen?

Darf eine Privatschule ein Kind wegen der politischen Gesinnung eines Elternteils ablehnen – oder ist das diskriminierend? Dabei handelt es sich um eine rechtliche Grauzone. Einerseits besagt Paragraf 100 des Berliner Schulgesetzes, dass die Aufnahme von Schülern an Privatschulen nach den Regeln zu erfolgen hat, die auch an öffentlichen Schulen gelten. Andererseits haben Privatschulen das Recht, sich die Schüler aufgrund des Schulprofils auszusuchen, sagt eine Sprecherin der Bildungsverwaltung auf Anfrage von FOCUS Online.

Das habe jedoch gesetzliche Grenzen, es dürfe etwa keine Benachteiligung nach dem Antidiskriminierungsgesetz geben. Bis der Bericht der mittlerweile eingeschalteten Privatschulaufsicht vorläge, könne die Verwaltung aber keine weiteren Angaben zu dem Fall machen, sagt die Sprecherin. Auch eine mögliche Handhabe gegen die Schule hänge „immer vom Einzelfall“ und damit vom Ergebnis dieser Überprüfung ab.

Kind kann nichts für politische Einstellung des Vaters

Detlef Hardorp, der bildungspolitische Sprecher der Waldorfschulen in Berlin-Brandenburg, teilt auf Anfrage von FOCUS Online schriftlich mit, dass es sehr wohl möglich ist, Kinder grundlos abzulehnen. „Wenn man 140 Anmeldungen auf 30 Plätze hat, ist kaum zu erwarten, dass die Schule 110 Ablehnungsbegründungen schreibt.“

Ob die Schule der Familie des betroffenen Kindes die Absage begründet hat, wisse er nicht. Es sei jedoch wichtig sei, dass Eltern hinter dem pädagogischen Ansatz der Schule stünden. Da die AfD Gesamt- und Gemeinschaftsschulen ablehne, dürfe „man sich dann schon die Frage stellen, ob die Eltern tatsächlich hinter der Pädagogik der Schule stehen.“ Ob das jedoch die Ablehnung des Kindes rechtfertigt, ist unklar.

Hardorp selbst scheint bereits vor einiger Zeit Schwierigkeiten mit der Aufnahme des Kindes befürchtet zu haben. Vor zwei Jahren, als es um die Aufnahme des Kindes in den Kindergarten ging, habe er vor einer Ablehnung gewarnt. Damals habe er an die Schule geschrieben: „Die AfD setzt auf Ausgrenzung. Wir müssen uns in Acht nehmen, das nicht mit ihnen zu tun – und schon gar nicht mit ihren Kindern.“ Das sehe er auch heute nicht anders.

Waldorf-Sprecher betont Credo – und äußert damit indirekt Kritik

Hardorp betont grundsätzlich das Waldorf-Credo und kritisiert die Schule damit indirekt: „Menschen aller politischen Einstellungen sollten ihre Kinder auf Waldorfschulen schicken können.“ Das sei so auch in der Stuttgarter Erklärung aus dem Jahr 2007 festgehalten, in dem sich Waldorfschulen explizit gegen Diskriminierung aussprechen. Er kenne den Ablehnungsprozess in diesem speziellen Fall jedoch zu wenig, um sich ein konkretes Urteil zu erlauben. Auf die Frage, ob der Schulleitung Konsequenzen drohen, betont er die Selbstverwaltung der Waldorfschulen. „Eine Konsequenz aber ist das große und sehr kritische Medienecho. Damit muss sie jetzt umgehen.“

Für das Kind hat die Ablehnung derweil direkte Konsequenzen: Es kann nicht auf dieselbe Schule wie seine Freunde gehen. „Wie sollen wir jetzt unserem Kind erklären, dass seine Freunde im kommenden Jahr an die Waldorfschule dürfen, wir aber dort nicht erwünscht sind?“, fragt der Vater des Kindes in der „Berliner Zeitung“.

Kritik der Berliner Bildungssenatorin

Sandra Scheeres, Berliner Senatorin für Bildung, Jugend und Familie, kritisiert die Entscheidung der Schule. „Es ist äußerst problematisch, dass ein Kind für das politische Engagement der Eltern verantwortlich gemacht wird“, lässt die SPD-Politikerin über ihre Sprecherin ausrichten.

Die Landesarbeitsgemeinschaft der Waldorfschulen Berlin-Brandenburg betont, nicht in die Entscheidung der Schule einbezogen worden. „Wir hatten noch keine Gelegenheit, uns über die Entscheidung der Schule auszutauschen“, so Hardorp. Die nächste Sitzung der Landesarbeitsgemeinschaft finde im Januar statt. Es ist davon auszugehen, dass das Thema dann behandelt wird.

Quelle: Focus

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