Die Zahl der Migranten aus der Türkei ist im vergangenen Jahr trotz des mit der EU geschlossenen Abkommens um über 20 Prozent gestiegen. Das geht aus einem internen Bericht der Brüsseler Kommission hervor. Die griechischen Behörden stellt das vor enorme Probleme.
Im vergangenen Jahr sind wieder deutlich mehr Migranten aus der Türkei in die Europäische Union gelangt. „Die Gesamtzahl der Ankünfte aus der Türkei im Jahr 2018 lag bei 50.789“, heißt es in einem neuen Bericht der EU-Kommission, der WELT AM SONNTAG vorliegt. Im Vergleich dazu habe die Zahl im Vorjahr bei 41.720 gelegen. Insgesamt sei dies „ein Anstieg von 22 Prozent gegenüber 2017“, stellt der vertrauliche Bericht aus Brüssel fest. Die Migranten waren vor allem Türken, Syrer, Iraker und Afghanen.
Demnach sind allein 47.939 Personen aus der Türkei nach Griechenland geflohen, davon 15.798 auf dem Landweg. Weitere Ankunftsländer waren Italien (2383), Bulgarien (349) und Zypern (118).
Die Türkei hatte sich in einem Abkommen mit der Europäischen Union verpflichtet, die Grenzen des Landes vom 18. März 2016 an so zu sichern, dass möglichst keine Migranten mehr illegal nach Europa kommen können. Im Abkommen heißt es unter Punkt drei dazu: „Die Türkei wird alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um neue See- oder Landwege für die illegale Migration aus der Türkei in die EU zu verhindern.“
Im Gegenzug wurden der Regierung in Ankara Zahlungen der Europäer von bis zu sechs Milliarden Euro zugesagt – vor allem zur Versorgung der nach türkischen Angaben rund 3,6 Millionen Schutzsuchenden im Land. Bisher wurden etwa drei Milliarden Euro gezahlt.
In dem Bericht der EU-Kommission heißt es unter Berufung auf interne Schätzungen des Europäischen Zentrums für Migrantenschmuggel (EMSC) bei der Europäischen Polizeibehörde Europol in Den Haag, „dass 90 Prozent der Migranten, die in der EU ankommen, während der Reise durch kriminelle Organisationen unterstützt wurden“. Menschenschmuggel stelle inzwischen den drittgrößten Geschäftsbereich für die internationale Kriminalität dar.
Die wieder zunehmende Fluchtbewegung aus der Türkei nach Griechenland führt dazu, dass die Aufnahmezentren auf den griechischen Inseln heillos überfüllt sind. Derzeit leben dort 14.600 Personen – dabei sind die Kapazitäten nur für 7000 Personen ausgelegt. Insgesamt kamen 2018 mehr als 32.000 Migranten auf die Inseln. Damit die Aufnahmezentren den Ansturm bewältigen können, wird eine wachsende Zahl von Migranten auf das Festland gebracht. Sie werden als „vulnerabel“ klassifiziert, gelten als gesundheitlich gefährdet und damit besonders schutzbedürftig.
Beobachtern zufolge wird dieser Status von den griechischen Behörden unter dem Druck der Verhältnisse allerdings vergleichsweise großzügig vergeben. Das verstößt im Grunde gegen das EU-Türkei-Abkommen, zumal der Status die Chancen für Flüchtlinge erhöht, weiter Richtung Deutschland oder Österreich ziehen zu können.
Auch die äußerst geringe Zahl von nur 1800 Rückführungen von Flüchtlingen aus Griechenland in die Türkei seit April 2016 entspricht nicht dem Geist des Abkommens. Griechische Richter und Behörden sind maßgeblich mitverantwortlich für die zögerlichen Rückführungen.