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Mai 25

Heiko Maas: Recht gegen „rechts“

Justizminister Heiko Maas hat ein eigentlich richtiges Gesetz schreiben lassen. Aber er hat es politisch aufgeladen. Das ist vollkommen inakzeptabel.

Fällt eine Dachrinne von meinem Haus und verletzt sie einen Passanten, bin ich für den Gesundheitsschaden haftbar. Werde ich wegen einer Geschwindigkeitsübertretung geblitzt, setzt es ein Bußgeld. Schiebe ich auf Facebook oder Twitter jemandem ein ehrabschneidendes, erfundenes Zitat unter, garniert mit ein paar üblen Beleidigungen, passiert mir gar nichts, während die Netzwerkbetreiber daran verdienen.

Deshalb ist es schon richtig, dass die Bundesregierung mit dem „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ etwas gegen die massenhaften Verletzungen von Persönlichkeitsrechten unternehmen will. „Offensichtlich rechtswidrige“ Inhalte sollen innerhalb von 24 Stunden von den Plattformen gelöscht werden, ansonsten drohen den Unternehmen Bußgelder von bis zu fünf Millionen Euro.

Maas und seine gesinnungsgeladene Gesetzgebung

Ganz und gar nicht richtig ist allerdings, dass Justizminister Heiko Maas (SPD) mit dem Gesetz offensichtlich politische Absichten verfolgt. Maas hat wiederholt deutlich gemacht, dass es ihm neben dem Recht vor allem um „die Rechten“ geht. „Wir können die Rechten kaum daran hindern, sich im Netz ihre Biotope, ihre hasserfüllten Separees einzurichten. Aber wir können etwas dagegen tun, dass sie auch die offenen, demokratischen Bereiche des Netzes kapern, dort Hass und Lügen streuen und damit Vorurteile und Ängste schüren“, schreibt Maas in seinem quasi zeitgleich mit dem Gesetzentwurf gedruckten Buch Aufstehen statt wegducken. Eine Strategie gegen Rechts. (Ein Vorabdruck findet sich in DIE ZEIT 13/17)

Für den Sozialdemokraten Maas ist das Engagement gegen „rechts“ – auch wenn er damit offenbar Rechtsradikalismus meint – völlig in Ordnung, denn so etwas gehört zum politischen Meinungskampf. Als Bundesjustizminister ist Maas allerdings gerade dabei, die Grenzen dieses Meinungskampfes durch eine gesinnungsgeladene Gesetzgebung enger zu ziehen. Und das ist vollkommen inakzeptabel.

Braunes Gedankengut zu äußern ist nicht per se verboten

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz selbst wäre gar nicht so sehr das Problem. Das Problem entsteht vielmehr durch den Kontext, in den Maas es eingebettet hat. Jeder Netzbetreiber weiß mittlerweile zweifelsfrei, was der Minister bezweckt: „Aufstehen gegen die braunen Politi-Zombies“, wie unlängst die Süddeutsche Zeitung einen Gastbeitrag von Maas überschrieb. Nun gilt allerdings: Braunes Gedankengut zu äußern ist als solches weder verboten noch strafbar. Strafbar wird eine Meinungsäußerung in aller Regel erst dadurch, dass sie Rechtsgüter wie die Ehre oder den öffentliche Frieden verletzt.

Die Angestellten, die bei Twitter oder Facebook künftig die Entscheidung über die „offensichtliche Rechtswidrigkeit“ von Inhalten zu treffen haben, dürften es angesichts des Vaters des Gesetzes mit dieser hochwichtigen Unterscheidung in Zukunft nicht so genau nehmen. Sie werden im Zweifel gegen das Bußgeld entscheiden, gegen Ärger mit dem Vorgesetzten und damit im Zweifel gegen die Meinungsfreiheit. Sprich: Durch die Einschüchterungswirkung des Maas-Gesetzes drohen die Grenzen zwischen strafbaren Äußerungen und lediglich abstoßenden, pauschalisierenden oder ekligen Kommentaren zu verschwimmen.

Freie Meinung muss nicht liberal sein

Auch wenn die Erinnerung in manchen Ohren anstößig klingen mag: Freie Meinungsäußerung bedeutet nicht, nur liberale Meinungen äußern zu dürfen. Artikel 5 GG garantiert auch das Recht auf Radikalismus, Rohheit, Dumpfheit, Selbsterniedrigung, und zwar von rechts wie von links. Wir lesen das Bundesverfassungsgericht (aus der „Wunsiedel-Entscheidung“ vom November 2009, BvR 2150/08):

„Geschützt sind (…) von Art. 5 Abs. 1 GG auch Meinungen, die auf eine grundlegende Änderung der politischen Ordnung zielen, unabhängig davon, ob und wie weit sie im Rahmen der grundgesetzlichen Ordnung durchsetzbar sind. Das Grundgesetz vertraut auf die Kraft der freien Auseinandersetzung als wirksamste Waffe auch gegen die Verbreitung totalitärer und menschenverachtender Ideologien. Dementsprechend fällt selbst die Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts als radikale Infragestellung der geltenden Ordnung nicht von vornherein aus dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG heraus.“

Gesetze, die freie Meinung unterbinden, sind nicht erlaubt

Sicher, die Meinungsfreiheit kann durch „allgemeine Gesetze“ eingeschränkt werden. Allgemeine Gesetze sind aber gerade solche, die nicht eine Meinung an sich verbieten. Ein Sonderrecht, das zur Diskriminierung oder zum Unterbinden einer Meinung geeignet wäre, ist grundsätzlich unzulässig. Noch einmal das Bundesverfassungsgericht, aus demselben Urteil:

„Ein Indiz für Sonderrecht ist es (…), wenn sich eine Norm als Antwort auf einen konkreten Konflikt des aktuellen öffentlichen Meinungskampfes versteht oder anknüpfend an inhaltliche Positionen einzelner vorfindlicher Gruppierungen so formuliert ist, dass sie im Wesentlichen nur gegenüber diesen zur Anwendung kommen kann. (…) Je mehr eine Norm so angelegt ist, dass sie absehbar allein Anhänger bestimmter politischer, religiöser oder weltanschaulicher Auffassungen trifft und somit auf den öffentlichen Meinungskampf einwirkt, desto mehr spricht dafür, dass die Schwelle zum Sonderrecht überschritten ist.“

Leider hat der Justizminister viel PR-Arbeit dafür geleistet, dass das Netzwerkdurchsetzungsgesetz in genau diesem Lichte gesehen werden kann. Statt sich angesichts der Sensibilität des Gegenstandes eine wenigstens näherungsweise Neutralität im Meinungskampf aufzuerlegen, hat Maas genau das Gegenteil getan. Das eigentlich richtige Gesetz, das sich gegen objektiv strafbare Inhalte wie Volksverhetzung, Beleidigung oder Verleumdung richtet, ist nun von Anfang an mit dem gänzlich falschen Geist beseelt. Ob dieser Makel geheilt werden kann? Vielleicht. Deutsche Gerichte, das darf man immerhin annehmen, werden auch in Zukunft besonnener und liberaler denken als der derzeitige Bundesjustizminister.

Quelle: Zeit

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