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Nov 22

Ahmadiyya-Gemeinde verklagt die Islamkritikerin Necla Kelek

Die Publizistin Necla Kelek, hier bei einem Auftritt am NZZ-Podium im Mai 2016. (Bild: Karin Hofer / NZZ)

Die Publizistin und Islamkritikerin Necla Kelek wird von der Ahmadiyya-Gemeinde unter anderem wegen eines Sektenvorwurfs verklagt. Ein offener Dialog zwischen Kritikern und Religionsgemeinschaften sähe anders aus.

Necla Kelek ist die streitbarste Islamkritikerin Deutschlands. In Büchern, in Artikeln, auch für diese Zeitung, und bei öffentlichen Auftritten macht die türkischstämmige Soziologin deutlich ihre Haltung klar: Der Islam habe ein massives Aufklärungsdefizit, er trenne nicht zwischen Politik und Religion. Kelek kritisiert auch die deutsche Gesellschaft, weil sie ihrer Ansicht nach fahrlässige Toleranz gegenüber religiösem Extremismus übe.

Die Islamschelte bringt der Publizistin nun einen Rechtsstreit ein: Die Ahmadiyya-Gemeinde hat eine Unterlassungsklage gegen Kelek eingereicht, der vorläufig geschätzte Streitwert beläuft sich auf 100 000 Euro.

«Fair für beide Seiten»

Die in Deutschland rund 40 000 Mitglieder umfassende Religionsgemeinschaft Ahmadiyya ist seit 1992 in der Bundesrepublik aktiv und seit 2012 als einzige islamische Gemeinde in Hessen und Hamburg als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt. Als Reformbewegung, die 1889 in Indien gegründet wurde, stehe man «für einen aufgeklärten und weltoffenen Islam». So heisst es in der von einer Frankfurter Anwaltskanzlei verfassten Klageschrift, die der NZZ vorliegt.

Mohammad Dawood Majoka, der Pressesprecher der Ahmadiyya-Gemeinschaft, dazu: «Als in unserer deutschen freiheitlichen Gesellschaft fest verankerte Reformmuslime stellen wir uns der kritischen Auseinandersetzung tagtäglich. Diese wichtige Auseinandersetzung muss aber nicht nur kritisch, sondern auch fair für beide Seiten stattfinden.» Kelek widerspricht: Die Ahmadiyya hätten sich zwar gegen den gewalttätigen Islamismus gewandt, verträten in ihrer Lehre jedoch einen weiterhin «unkritischen Umgang mit den autoritativen Schriften des Islam».

Die wesentlichen Streitpunkte in dem am Donnerstag in Frankfurt beginnenden Prozess sind Äusserungen Keleks in einem Interview mit dem Deutschlandfunk: Die Ahmadiyya-Gemeinde sei eine «Sekte», sie nutze ihren Status als Körperschaft, um eine «politische Agenda» zu verfolgen, und sei in ihrer religiösen Praxis «nicht transparent».

Verfolgte werden zu Verfolgern

Aus drei Gründen ist dieser Rechtsstreit von weitreichender Bedeutung: Erstens gelten die Ahmadiyya seit ihrem Verbot in Pakistan im Jahr 1974 als verfolgte Minderheit. Grund hierfür war ein religionsinterner Streit über die Frage, ob es nach Mohammed noch weitere Propheten gegeben habe. Dass ausgerechnet diese von Dogmatikern gegängelte Glaubensgemeinschaft nun mit juristischen Mitteln gegen eine Kritikerin vorgeht, anstatt vorerst den offenen Austausch zu suchen, ist schon bemerkenswert. «Wir finden jede Art der Islamkritik zulässig, sofern sie auf wahren Tatsachen beruht, mit sachlichen Argumenten geführt wird und dem Kritisierten dieselbe Möglichkeit und Plattform der Entgegnung geboten wird wie dem Kritiker», so Majoka. Ob Gerichtssaal und Interview einander als Plattformen für einen offenen Diskurs allerdings entsprechen, wäre zu diskutieren.

Zweitens bietet Ahmadiyya Islamunterricht an Schulen an. Auch im Hinblick auf das pädagogische Image wäre ein auf Austausch basierender Umgang mit Kritik wünschenswerter als der Versuch, auf dem Rechtsweg einen Maulkorb zu erteilen.

Drittens findet Ende November die Islamkonferenz in Berlin statt, das offizielle Forum der Bundesregierung für den Dialog mit Muslimen im Land. Die Ahmadiyya-Gemeinde ist auf Expansion angelegt, ihr 1989 beschlossener Hundert-Moscheen-Plan, also die Errichtung von einhundert Gotteshäusern in Deutschland, ist in der Umsetzung begriffen. Dies geht am besten mit Unterstützung der Politik. Sich bei der Konferenz als quasi liberale Gruppierung zu zeigen, ist deshalb essenziell. Das Label Sekte wäre geschäftsschädigend. Noch geschäftsschädigender aber wirkt ein Feldzug gegen eine einzelne Intellektuelle.

Quelle: neue züricher

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