Was hat sich das Kinderfernsehen dabei nur gedacht?
Der öffentlich-rechtliche Kinderkanal (KiKA) zeigte im November die Doku „Schau in meine Welt – Malvina, Diaa und die Liebe“. Darin wird die Liebesgeschichte zwischen der hessischen Schülerin Malvina (16) und einem Flüchtlingsjungen aus Aleppo, der Diaa genannt wird. Völlig unkommentiert beschreiben die beiden ihren Alltag – mit allen Schwierigkeiten.
Längst gibt es heftige Kritik von Experten.
Denn: Wer den 24-minütigen Film sieht, fragt sich zwingend, wie alt die Protagonisten sind. Warum ist das überhaupt wichtig? Weil in Deutschland seit der Flüchtlingskrise eine Debatte um das wahre Alter vieler Flüchtlinge entbrannt ist.
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Auf der Kika-Internetseite hieß es zunächst, der junge Mann sei 17. Als Zuschauer stutzig wurden und im Internet diskutierten, korrigierte der Sender am Montagnachmittag das Alter auf 19. Am Dienstag bat der Sender in einer Pressemitteilung zusätzlich um Entschuldigung. Ein Fehler sei passiert.
Alter falsch, Name falsch
Doch in der Kika-Sendung „Kummerkasten“, die nach der Erstausstrahlung im November direkt im Anschluss an die Doku gesendet worden war, sagte der junge Mann: „Ich bin 18 Jahre alt“.
Und er nannte einen anderen Namen: „Mohamed“. Und nicht „Diaa“ – wie er in der Dokumentation genannt wird. Diaa ist offenbar eine Ableitung seines Nachnamens.
Anschauen kann man sich diese „Kummerkasten“-Sendung nicht mehr! Dienstagnachmittag löschte KiKA die Aufzeichnung, in der der junge Mann ein falsches Alter nennt, von der Internet-Seite. Eine Sprecherin bestätigte den Vorgang auf BILD-Nachfrage.
Auch zum Alter gibt es einen neuen Stand. Tanja Nadig, die den vom Hessischen Rundfunk (HR) produzierten Film redaktionell betreut hat, teilt BILD mit: „Wir haben den Ausweis von Diaa gesehen. Er ist jetzt 20 Jahre alt.“ Er habe zwischenzeitlich Geburtstag gehabt.
Wann genau der junge Mann laut Ausweis Geburtstag hat, will der HR „aus Datenschutzgründen“ aber nicht sagen. Dies wäre jedoch wichtig, um offene Fragen zu klären. Denn bei Flüchtlingen, die ohne Papiere nach Deutschland kommen und kein Geburtsdatum angeben, wird in die Papiere geschrieben: 1. Januar. Ob das bei dem Kika-Syrer auch so war – völlig unklar. Fest steht: Er kommt aus Aleppo, Vater und Mutter sind mittlerweile auch in Deutschland.
Huch, plötzlich ist Diaa aus Syrien volljährig. Das ging aber fix. „Aktualisierung“ heißt diese Blitzalterung bei Kika. Können @ARD_Presse oder @ZDF das mal erklären? pic.twitter.com/4gFF1O8KJ8
— Julian Reichelt (@jreichelt) 8. Januar 2018
Experten kritisieren die Sendung
Jenseits des Alters wird heftige grundsätzliche Kritik an der Dokumentation laut, die sich an Kinder wendet. Denn: Es fehlt jede Einordnung.
So will der Syrer zum Beispiel nicht, dass Malvina kurze Röcke anzieht. Stattdessen fragte er, ob sie nicht Kopftuch tragen möchte. Es ist für ihn auch nicht in Ordnung, wenn die junge Deutsche ihren besten Freund umarmt. Diaas Begründung: „Sie gehört mir und ich gehöre ihr. So ist die Regel bei mir.“
Als Diaa erklärt „Ich will sie einfach schnell heiraten“, kontert die selbstbewusste Malvina immerhin: „Daraus wird nichts.“ Auch ein Kopftuch lehnt sie ab.
In der Doku sprechen nur Malvinas Eltern die Probleme an. Die Mutter: „Die größte Angst für mich ist das Kopftuchtragen.“ Der Vater: „Du darfst Dich nicht verlieren. Wenn Du gegen Deine Prinzipien verstößt (…) ist das zu weit.“ Malvina reflektiert: „Ich hätte auch einfach Schluss machen können.“ Aber ihr Freund sei ihr wichtiger als Hotpants.
Experten kommen nicht zu Wort, dabei richtet sich der Film laut KiKa – ein Gemeinschafts-Sender von ARD und ZDF – an Zehn- bis 13-Jährige.
Diplom-Psychologin Anke Precht (47, „Einschlafzauber“): „Aus meiner Sicht kann man den Film 12, 13 oder 14-jährigen Kindern in der Schule zeigen, anschließend mit ihnen diskutieren. Für kleinere Kinder ist er absolut ungeeignet und pädagogisch äußerst fragwürdig.“
Marcus Weinberg (50, CDU), familienpolitischer Sprecher der Union: „Die Darstellung von Problemen in Beziehungsfragen aufgrund verschiedener kultureller Herkunft ist wichtig. Aber sie muss auch in einen Kontext einer bestehenden gesellschaftlichen Erwartung eingebettet werden, zum Beispiel, dass man darauf hinweist, dass bei uns uneingeschränkt die Gleichberechtigung gilt.“
FDP-Vize Wolfgang Kubicki (65) kritisiert, dass Kindern „ohne pädagogische Begleitung kulturelle Konflikte anhand einer Liebesbeziehung“ nahegebracht werden sollen.
Mit BILD wollte Malvina nicht über ihre Beziehung mit Diaa sprechen.