Tegernsee – Ein Flüchtling in der Tegernseer Unterkunft hat Tuberkulose, verschwindet unbehandelt – und die Öffentlichkeit erfährt von nichts. Jetzt meldet sich das Landratsamt zu Wort.
Aktualisierung, 15. September, 17.42 Uhr:
Nach dem Bericht unserer Zeitung von Dienstag reagiert die Behörde mit einer Pressemitteilung, in der Landrat Wolfgang Rzehak (Grüne) die Vorwürfe entschieden zurückweist, das Landratsamt hätte den Fall verschwiegen. „Wir haben den Fall nun noch einmal genau analysiert“, wird Rzehak zitiert, „das Landratsamt Miesbach hat nachweislich mehrere Stellen informiert – auch auf verschiedenen Informationswegen.“
Nur indirekt antwortet er auf die brennendste Frage, die nach unserem Bericht eine Vielzahl von Lesern und Kommentatoren auf unserer Facebookseite stellen: Warum wurde der Vorfall nicht öffentlich gemacht? Rzehak: „Wir müssen einen Mittelweg finden zwischen einer Information der Öffentlichkeit und einer nicht angemessenen Panikmache.“ Gleichzeitig gibt das Landratsamt nun doch eine Reihe von Details zu dem Vorfall heraus.
Laut Mitteilung erfuhr das Landratsamt am 20. August von der TBC-Erkrankung des 23-jährigen Asylbewerbers aus Eritrea, der seit 10. August in der Tegernseer Flüchtlingsunterkunft, der Dreifachturnhalle des Gymnasiums, untergebracht war. Am 20. August, ein Donnerstag, war der Flüchtling allerdings schon nicht mehr auffindbar. Er wurde zur Fahndung ausgeschrieben. Bis heute fehlt allerdings jede Spur vom ihm. Das bestätigt auf Nachfrage inzwischen auch die Regierung von Oberbayern.
Das Landratsamt reagiert in der Mitteilung auch auf die Kritik von Tegernsees Bürgermeister Johannes Hagn (CSU), der sich darüber ärgerte, dass die Behörde die Helfer nicht direkt informierte. Das übernahm, wie berichtet, die Stadt Tegernsee durch Geschäftsleiter Hans Staudacher. Der wurde allerdings laut Pressemitteilung bereits einen Tag nachdem der Fall bekannt wurde, durch das Landratsamt informiert.
Hagn reagiert: „Wenn der Fall auch dem Landratsamt tatsächlich erst seit dem 20. August bekannt war, leiste ich gerne Abbitte.“ Dass die Stadt – und nicht das Landratsamt oder dessen verantwortliche Abteilung Gesundheit – die Helfer persönlich informierte, wird in der Pressemitteilung nicht dementiert.
Laut Gesundheitsamt sei die Ansteckungsgefahr im Juli aber gering gewesen. „Es ist nicht sicher“, schreibt das Landratsamt, „ob der Mann aus Eritrea überhaupt gehustet hat.“ Das wird sich ohne den Mann wohl auch nicht mehr feststellen lassen. Trotzdem hält die Behörde eine Ansteckung der Helfer für unwahrscheinlich. „Aus medizinischer Sicht müssen keine weiteren Untersuchungen mehr durchgeführt werden.“
Ursprünglicher Artikel vom 15. September, 8 Uhr:
Aufmerksame Mitglieder des Helferkreises hatten vor drei Wochen die Chance, von der Ansteckungsgefahr zu erfahren. Und zwar durch einen Zettel, der im Eingangsbereich der Turnhalle an der Wand hing. „Liebe Helfer“, war da zu lesen, „liebe Securitys, liebe Asylbewerber, ein Bewohner der Dreifachturnhalle ist an einer ansteckungsfähigen Lungentuberkulose erkrankt.“ Wer krank war, stand da nicht, auch nicht, wo sich der Betreffende jetzt befindet.
Letzteres weiß auch die Behörde nicht, wie die Leiterin des Gesundheitsamts, Heike Hergenröder, mitteilt: „Der Mann ist abgängig.“ Dass der Asylbewerber krank ist, hat die Miesbacher Behörde aus München erfahren. In einer Erstaufnahmeeinrichtung wurde er getestet. Als das Ergebnis vorlag und man den Erkrankten näher untersuchen wollte, war er schon nicht mehr auffindbar. Die Helfer per E-Mail informiert hat erst die Stadt Tegernsee. Bürgermeister Johannes Hagn (CSU) hatte durch Zufall von dem Tuberkulosefall erfahren. Er wunderte sich vor drei Wochen, warum die städtische Turnhalle noch nicht geräumt ist. Wegen des ungeklärten Tuberkulosefalls, bekam er als Antwort.
Hagn ist sauer: „Ich erwarte für meine Mitarbeiter und unsere Helfer maximalen Schutz und maximale Informationsweitergabe. Das ist offensichtlich nicht der Fall.“ Die Öffentlichkeit zu informieren, hielt das Landratsamt nicht für richtig, obwohl der Aufenthaltsort des Asylbewerbers bis jetzt ungeklärt scheint. Aktuell gab es von Landrat Wolfgang Rzehak (Grüne) dazu keine Stellungnahme. Verantwortlich für die Suche nach dem Vermissten wäre die Regierung von Oberbayern. Doch die konnte unserer Anfrage bisher nicht nachkommen – nach den Ereignissen der vergangenen Tage ist die Behörde überlastet.
Die Helfer jedenfalls sind verunsichert. Abgesehen von der E-Mail der Stadt und dem Aushang haben sie keine Informationen bekommen. „Wie hoch war die Ansteckungsgefahr?“, fragt ein Tegernseer Helfer, der nicht namentlich genannt werden möchte. „Wie geht es dem Asylbewerber jetzt?“ Erst nachdem er mehrmals nachgehakt hat, habe er den Namen des Betreffenden erfahren. Lange habe das Landratsamt den unter Verschluss gehalten. „Das ist doch unmöglich, auf eine Ansteckungsgefahr hinzuweisen und dann nicht zu verraten, wer erkrankt ist.“
Da man den Asylbewerber nie untersuchen konnte, weiß auch das Gesundheitsamt nicht genau, wie groß die Ansteckungsgefahr wirklich ist. Gesundheitsamts-Chefin Hergenröder geht aber von einer niedrigen Ansteckungsgefahr aus, da in der Münchner Probe auch nur eine geringe Anzahl von Bakterien war und die Turnhalle mit ihrer hohen Decke eine Ansteckung über die Atemwege alles andere als begünstige. Sollte sich dennoch jemand angesteckt haben, könne man das frühestens nach zwei Monaten testen, vorher sind die Bakterien nicht nachweisbar. „Und das werden wir dann auch tun.“ Dass eventuell Angesteckte die Krankheit weiter übertragen, sei während dieser acht Wochen nicht zu befürchten.