Innenminister Seehofer wollte abgeschobene Asylbewerber an der Wiedereinreise nach Deutschland hindern und beschloss Zurückweisungen an der bayrischen Grenze. Er setzte auf Abschreckung. Was wurde aus seinem Plan?
Auf dem Höhepunkt des Streits zwischen CDU und CSU über Zurückweisungen an den Grenzen lenkte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) im Juni bekanntlich ein – nachdem die CDU-Führung um Bundeskanzlerin Angela Merkel klargemacht hatte, dass sie unter keinen Umständen ein nationales Vorgehen akzeptieren würde.
In einem Punkt setzte sich die CSU allerdings durch: Am 18. Juni sagte Seehofer auf einer Pressekonferenz in München, er „werde sofort, wenn ich wieder in Berlin bin, gegenüber der Bundespolizei anordnen, dass Menschen, die mit einer Wiedereinreisesperre belegt sind, sofort an der Grenze zurückgewiesen werden“.
Seehofer machte gleich doppelt deutlich, für wie verantwortungslos er es hielt, dass abgelehnte Asylbewerber, Straftäter und aus anderen Gründen Abgeschobene trotz ihrer Abschiebung und der damit einhergehenden Wiedereinreisesperre nicht zurückgewiesen werden durften – sobald sie an der Grenze angaben, erneut Schutz zu suchen.
„Ich sage noch einmal, das ist skandalös, dass das überhaupt über Jahre möglich war. Was soll eine Einreisesperre, wenn jeder weiß, wenn er sie nicht einhält, hat es keinerlei Folgen“, sagte Seehofer damals.
Gleich einen Tag später, am 19. Juni, wies er die seinem Ministerium unterstellte Bundespolizei an, den Zustand zu beenden. Deren Chef Dieter Romann, der seit Jahren bei der Bundesregierung erfolglos für einen stärkeren Grenzschutz warb, versendete sogleich ein Schreiben an seine Dienststellen. An allen Binnengrenzen, an denen es vorübergehend Grenzkontrollen gebe, seien „ab sofort“ Personen mit Einreiseverbot zurückzuweisen.
Der größte Makel dieser Maßnahme scheint schon in dieser Formulierung auf: Grenzkontrollen erlaubt die EU-Kommission derzeit nur an der bayrisch-österreichischen Grenze. An allen übrigen Landgrenzen kann nach wie vor kein abgeschobener Asylbewerber zurückgewiesen werden.
Aus dem schlichten Grund, dass dort niemand stehen darf, dessen Aufgabe es ist, Abgeschobene nicht hereinzulassen – das gebietet das EU-Recht nach Lesart der EU-Kommission und des Bundeskanzleramtes.
Nun hofften Seehofer und viele andere Politiker der Union allerdings, dass die Möglichkeit von Zurückweisungen an dem bayerischen Grenzabschnitt eine symbolische Wirkung haben könnte, sodass weniger Abgeschobene wieder zurückkehren würden.
Eine solche abschreckende Wirkung ist aber bislang nicht festzustellen. Wie die Bundespolizei WELT mitteilte, wurden „im Jahr 2018 durchschnittlich 100 Personen pro Monat festgestellt, gegen die ein Einreiseverbot bestand“. Schon im ersten Halbjahr, also vor der Seehofer-Weisung, gab es laut Bundespolizei durchschnittlich 100 solcher Aufgriffe pro Monat.
Wurden die Zurückweisungen tatsächlich vollzogen?
Wie viele der Aufgegriffenen mit Einreisesperre dann wieder zurückgewiesen wurden, kann die Bundespolizei auf Anfrage nicht genau beantworten. Doch den Angaben zufolge waren es weniger als die Hälfte. Denn nur „rund 43 Prozent dieser Personen wurden im Rahmen von Grenzkontrollen festgestellt“, also an dem Grenzabschnitt zu Österreich sowie den Flug- und Seehäfen – nur dort gibt es derzeit Grenzkontrollen.
Die andere Hälfte wurde im Inland aufgegriffen, bei ihnen kommt eine Zurückweisung sowieso nicht infrage, weil sie ja gerade darin besteht, eine noch nicht erfolgte unerlaubte Einreise zu verweigern; das geht nur direkt an der Grenze. Doch was geschah mit den 43 Prozent der monatlich durchschnittlich 100 Ausländer, die an den Grenzen mit Wiedereinreisesperre festgestellt wurden?
„Im Jahr 2018 wurde in 84 Prozent der Fälle entschieden, dass die Personen, welche im Zuge von Grenzkontrollen festgestellt wurden, zurückgewiesen werden sollen“, teilt die Bundespolizei mit. Es könne aber keine Aussage getroffen werden, ob die Zurückweisungen auch tatsächlich vollzogen werden konnten.
So sei etwa denkbar, „dass eine Zurückweisung aufgrund einer nicht vorliegenden Zustimmung des aufnehmenden Staates nicht vollzogen werden konnte“. Darüber hinaus könne „in Fällen eines später vorgebrachten Schutzersuchens von einer Zurückweisung vorerst Abstand genommen und die Personen zur Prüfung an die dafür zuständigen Behörden weitergeleitet“ worden sein.
Nun stellt sich die Frage, was mit den einmal abgeschobenen Ausländern geschieht, die trotz ihrer Wiedereinreise sperre nicht an ihrer unerlaubten Rückkehr nach Deutschland gehindert werden können. Dazu teilt die Behörde WELT mit, „wenn die Bundespolizei eine Zurückweisung“ aufgrund von „rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht vollziehen“ kann, „weil zum Beispiel das Kontingent an speziellen Hafteinrichtungen bereits erschöpft ist, wird dem Ausländer eine Frist zur Ausreise gesetzt und (er) mit einer Grenzübertrittsbescheinigung ins Inland entlassen“.
Unabhängig davon erstatte „die Bundespolizei Strafanzeige wegen des Verdachts der unerlaubten Einreise entgegen einer Wiedereinreisesperre“. In der Regel werden dann geringe Geldstrafen verhängt und in Haftstrafen umgewandelt, wenn sie nicht beglichen werden können. Anschließend beginnt in der Regel ein erneuter Abschiebungsversuch, falls nicht glaubhafte Gründe für ein neuerliches Asylverfahren vorgebracht werden.
Bei all diesen Angaben ist aber zu beachten, dass es sich nur um das „Hellfeld“ der Wiedereinreise von bereits Abgeschobenen handelt, also jene Fälle, in denen die Bundespolizei Personen aufgreift. Wie WELT AM SONNTAG vor einer Woche recherchiert hatte, folgt laut Schätzungen von Ausländerbehörden auf ungefähr jede dritte Abschiebung die Wiedereinreise.
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Rund die Hälfte aller Abschiebungen seit 2015 gescheitert – Truth24 News – Tagesschau Real Uncensored News
März 3, 2019 um 10:35 pm (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
[…] das Abschiebungen erleichtern soll. Unter anderem soll damit die Vorbereitungshaft vor Abschiebungen für Gefährder, Terrorverdächtige und Identitätstäuscher ausgeweitet werden. Für Straftäter, die nicht […]