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Sep 06

Bundestagswahl: Die AfD erwartet ein frostiger Empfang

Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht bei der letzten Bundestagssitzung vor der Wahl. (Bild: Clemens Bilan/Keystone)

Bei der letzten Sitzung des Bundestags vor der Wahl sind sich die Sprecher aller Fraktionen in einer Frage einig: Die «Alternative für Deutschland» ist im deutschen Parlament nicht willkommen.

Wenn das Parlament das letzte Mal in einer Wahlperiode zusammenkommt, dann läuft das im Grunde immer gleich ab. Die Vertreter der Regierungsparteien loben sich selbst, die Opposition hält dagegen, und danach verabschieden sich alle in die Schlussphase des Wahlkampfs. Im Deutschen Bundestag gab es an diesem Dienstag zwei Punkte, in denen sich alle einig waren.

Da war, erstens, der Abschied des parteiübergreifend angesehenen Parlamentspräsidenten Norbert Lammert (CDU). Der 68-Jährige scheidet nach zwölf Jahren als Bundestagspräsident und Jahrzehnten als Abgeordneter aus dem Bundestag aus. Seine Arbeit wurde auch von Rednern der Grünen und der Linkspartei als ausgesprochen fair gewürdigt, was der Veranstaltung zwischendurch immer wieder einen feierlichen Grundton verlieh. Beim zweiten Punkt war das anders, auch wenn die Einigkeit genauso gross war. Die Alternative für Deutschland (AfD) ist im deutschen Parlament nicht willkommen: So lautete der Tenor, hinter dem sich die Redner aller vier Fraktionen (CDU/CSU, SPD, Grüne und Linke) 19 Tage vor der Wahl versammelten.

Am schärfsten formulierte die Spitzenkandidatin und Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, ihre Ablehnung: «Zeigen wir der AfD, dass wir geschlossen sind gegen Hass, gegen Hetze, gegen Fake News, gegen Spaltung, gegen Rassismus bis in unsere eigenen Reihen. Machen wir das gemeinsam für die Demokratie.» Von SPD und Linkspartei gab es ähnlich scharf formulierte Appelle.

Nur die CDU spricht von Linksextremismus

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) warnte zwar ebenfalls vor der neuen Rechtspartei. Er verwies zugleich aber auch auf die Gefahr des Linksextremismus. Etwas befremdlich wirkte seine Kritik, dass Letzteres im Bundestag bisher nicht diskutiert worden sei. Kauder ist seit 1990 Abgeordneter. Entsprechend oft hätte er die Gelegenheit gehabt, diesen Missstand zu beheben.

Für die AfD, die innen- und gesellschaftspolitisch rechtskonservative und wirtschaftspolitisch liberale Positionen vertritt, ist die allgemeine Ablehnung Hindernis und Chance zugleich. So ist es einerseits zwar ausgeschlossen, dass ihre Abgeordneten an der nächsten Regierung beteiligt sein werden. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat einer Zusammenarbeit beim «TV-Duell» am Sonntag wenig überraschend eine deutliche Absage erteilt; für die linken Parteien gilt diese Devise erst recht. Andererseits gibt die Aussenseiterposition der AfD die Gelegenheit, sich als zentrale deutsche Oppositionskraft in Szene zu setzen. Das gölte vor allem dann, wenn Union und SPD erneut eine grosse Koalition bilden und die AfD noch vor FDP und Grünen drittstärkste Kraft wird.

Die AfD kann auf «10 Prozent plus» hoffen

In den Meinungsumfragen liegt die 2013 gegründete Partei, je nach Forschungsinstitut, derzeit zwischen sieben und elf Prozent. Daran hat auch die jüngste Aufregung um ihren Spitzenkandidaten Alexander Gauland nichts geändert. Der 76-Jährige, der 40 Jahre lang CDU-Mitglied war, hatte Ende August bei einer Wahlkampfveranstaltung in Thüringen den Wunsch geäussert, die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), in Anatolien zu «entsorgen».

Dass die AfD am 24. September noch an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert, ist sehr unwahrscheinlich. Wenn es stimmt, was manche Demoskopen über die Scheu vieler Deutscher sagen, Sympathien für die AfD zuzugeben, dann kann die Partei auf ein deutlich zweistelliges Ergebnis hoffen.

Und nach der Wahl? Der AfD stehen im Parlament prinzipiell zwei Wege offen. Sie kann sich in den Fachausschüssen und im Plenarsaal als rechtskonservativ-bürgerliche Alternative empfehlen und so mittelfristig koalitionsfähig werden. Oder sie bleibt auf ihrem Kurs der verbalen Radikalisierung, dann allerdings ohne den Nimbus der ausserparlamentarischen Opposition. In dem Fall dürfte ihre Zeit im Bundestag begrenzt sein.

Quelle: Neue Züricher Zeitung

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