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Mai 20

Die Tafeln, die Flüchtlinge und der Futterneid

Der Andrang an den Tafeln hat sich in manchen Städten verdoppelt. Im Verteilungswettbewerb um kostenlose Lebensmittel stehen nun auch Flüchtlinge Schlange. Die alten Kunden fühlen sich benachteiligt.

Manuela Albrecht hat die Ellenbogen satt. Der Ton an der Tafel sei merkbar rauer geworden. „Es wird geschubst und gehauen, aber man gewöhnt sich dran“, meint Albrecht, selbst Kundin der Einrichtung. Arabisch, Slawisch und Deutsch füllen den nüchtern eingerichteten Vereinsraum. Als Albrecht ihre Thermoplastiktüte ausfaltet, geht das Rascheln fast unter. Nur eine hohe Frauenstimme fegt minütlich über das Stimmengewirr: „die Achtzehn“, „die Neunzehn“.

Die Kundin der Tafel, Manuela Albrecht, beobachtet, dass der Ton rauer wird
Manuela Albrecht, Kundin der Tafel, beobachtet, dass der Ton rauer wird

Quelle: dpa

An einer Seite hantieren Frauen und Männer an einer Theke mit Schürzen. Die Helfer befüllen die Schlünde geöffneter Tragetaschen mit Obst und Gemüse. In Metallregalen sind Weißbrote eingequetscht. Aus grünen Faltkisten quellen Zucchini, Radieschen und Kürbisse hervor. Und auf dem obersten Boden thront die Königin der Früchte, die Ananas.

Noch vor kurzem hätten sich wöchentlich 150 Leute in die Schlange vor der Tafel im nordrhein-westfälischen Mechernich eingereiht, sagt der örtliche Tafel-Chef und Vorsitzende des Landesverbands NRW, Wolfgang Weilerswist. Nun kommen 300. Um Lebensmittel fair verteilen zu können, funktioniere die Essensausgabe hier nur noch im Losverfahren.

Flüchtlingsandrang ist Belastungsprobe

Der Flüchtlingsandrang ist eine Belastungsprobe für die Tafeln in Deutschland. „Die Lage ist zurzeit sehr angespannt“, sagt der Chef des Bundesverbands, Jochen Brühl. 60.000 Helfer hätten bisher eine Million Bedürftige in Deutschland versorgt. Dann kamen die Flüchtlinge. Und es wurden in wenigen Monaten 150.000 Kunden mehr. Besonders betroffen sei Nordrhein-Westfalen: Erst kürzlich kapitulierten einige Tafeln im Münsterland vor dem immensen Andrang. Aber auch in Hessen und Hamburg mussten Helfer neue Bedürftige abweisen.

Das Treppenhaus der Mechernicher Tafel ist überfüllt mit wartenden Menschen aus Afrika, Syrien und dem Westbalkan. Erste Verteilungskämpfe zwischen den Neuankömmlingen und den Stammkunden zeichnen sich ab, wenngleich oft im Stillen: Einige Deutsche fühlten sich durch die Flüchtlinge bedroht, blieben der Tafel fern, sagt eine 66-jährige Helferin. Rassistische Gründe würden sicherlich eine Rolle spielen. Man könne aber auch von Futterneid sprechen.

Früher seien die Bedürftigen mit zwei, drei Tüten nach Hause gegangen, berichtet Weilerswist. Nun müssten sie zum Teil mit halb gefüllten Taschen den Heimweg antreten. „Die Tüten wurden weniger, viele meinen, der eine kriegt mehr, der andere weniger“, bestätigt auch Albrecht und fügt hinzu: „Kein Wunder bei den vielen Leuten.“ Wer die „vielen Leute“ sind, sagt sie erst nach kurzem Zögern: „Ziemlich viele Asylbewerber.“

„Ich bekomme täglich Hass-E-Mails“

Konflikte treten überall hervor: Eine Tafel in Müllheim im Schwarzwald hatte für Flüchtlinge und die einheimische Bevölkerung unterschiedliche Öffnungszeiten ausgewiesen. Immer wieder sollen sich Flüchtlinge vorgedrängelt haben, hieß es. Der örtliche Friedensrat hatte den Betreibern danach „unterschwelligen Rassismus“ vorgeworfen. Wie Flüchtlinge bei den Tafeln in Deutschland behandelt werden, kann die Zentrale von Pro Asyl in Berlin jedoch nicht einschätzen.

Mit dem höheren Andrang bei der Tafel bleibt für die einzelnen Kunden weniger Essen übrig als früher
Mit dem höheren Andrang bei der Tafel bleibt für die einzelnen Kunden weniger Essen übrig als früher. Quelle: dpa

Sowieso ist die vermeintlich unfaire Verteilung eine Frage der Perspektive: So haben fremdenfeindliche Anfeindungen gegen Tafel-Helfer stark zugenommen. „Wir werden häufig angemault und gefragt: ‚Warum wird das Essen weniger?‘“, sagt Weilerswist. „Ich bekomme drei, vier Hass-E-Mails täglich. Das Wort ,Kanake‘ ist noch das harmloseste.“ Im oberpfälzischen Weiden wurden Flüchtlinge in der Schlange direkt mit Worten massiv angegriffen, erzählte eine Tafel-Mitarbeiterin dem Bayerischen Rundfunk. Sie musste mehrwöchige Hausverbote aussprechen.

Die Deutschen sind das eine Problem. Weilerswist berichtet auch von teilweise respektlosem Verhalten junger männlicher Flüchtlinge. So wollten sich einzelne muslimische Männer in Tafeln in Nordrhein-Westfalen bei der Lebensmittelausgabe von bestimmten Helfern nicht bedienen lassen – weil sie Frauen waren. Eine bundesweite Tendenz sei jedoch nicht festzustellen, betont der Bundesverband. Generell könnten Notsituationen, Existenzängste, Traumatisierungen und Sprachbarrieren Konflikte unter den verschiedenen Nutzergruppen schüren, sagt Brühl.

Quelle: welt

Schottener Tafel bedient muslimische Asylanten offenbar zuerst – den „Rest“ bekommen Deutsche

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