Zwischenfall vor dem Bundesjustizministerium in Berlin: 50 Personen haben versucht, das Gebäude zu stürmen. Zuvor hatte bereits ein Mitarbeiter des Ministeriums über die nicht angemeldete Demonstration informiert. Justizminister Heiko Maas (SPD) befand sich zu keinem Zeitpunkt in Gefahr.
Freitag, 12.30 Uhr. Berlin ist auf dem Weg ins Wochenende, als vor dem Bundesjustizministerium das Chaos ausbricht. Ein Transporter rast durch die Mohrenstraße. Ein Polizist rettet sich per Sprung zur Seite. Plötzlich sind überall Menschen, schwenken Fahnen, entzünden Bengalos. Brüllen lautstark: „Maas muss weg!“ Und: „Festung Europa, macht die Grenzen dicht!“
Sie zerren eine zehn Meter lange Leiter aus dem Transporter. Lehnen sie an das säulengestützte Vordach des Ministeriums, wollen hoch und hinein. Polizeisirenen dröhnen. Am Ende gibt es 50 Platzverweise und eine Festnahme. Die Drahtzieher: Mitglieder der Identitären Bewegung.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Neo-Rechten in Berlin spektakuläre Zwischenfälle organisieren. Im vergangenen August besetzten sie kurzzeitig das Brandenburger Tor. Im Dezember – drei Tage nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz – blockierten sie die CDU-Parteizentrale. Die Identitäre Bewegung wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Schätzungen zufolge gibt es bundesweit rund 400 Mitglieder.
Am Freitag nun versuchten 50 Personen, das Justizministerium zu stürmen. Ein Ministeriumsangestellter informierte die WELT aufgeregt über das Geschehen: Das Ministerium sei „abgeriegelt“ worden.
„Es ging sehr turbulent zu“
Die Polizei rückte daraufhin mit einem größeren Aufgebot von etwa 50 Einsatzkräften an. „Es ging sehr turbulent zu“, fasste der Einsatzleiter der Polizei nüchtern zusammen. Verletzt wurde niemand. Alle 50 Teilnehmer der nicht angemeldeten Demonstration seien überprüft worden und hätten Platzverweise erhalten. Einige müssten mit Strafanzeigen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechnen.
Der Versammlungsleiter wurde in die Gefangenensammelstelle in die Perleberger Straße überstellt. Gegen ihn wird nun wegen Verstoßes gegen das Versammlungsrecht ermittelt.
Justizminister Heiko Maas (SPD) bekam davon zu Anfang wenig mit. Nach Angaben seines Sprechers Steffen Rülke traf er sich zu der Zeit mit Mitarbeitern zu einer internen Besprechung. In dem Büro, das zur Mohrenstraße zeigt, seien Rufe zu hören gewesen, aber nur gedämpft. Erst ein Mitarbeiter habe Maas informiert. Bei einem Blick durch die Fenster entschloss er sich spontan, hinunterzugehen.
„Hau ab!“, brüllten die Demonstranten
Dort hatte sich gegen 14 Uhr die Szene bereits beruhigt. Etwa 20 Demonstranten hatten eine Sitzblockade gebildet. Über ihre Beine war ein meterlanges Transparent mit dem Schriftzug „Alles schon vergessen – gegen Zensur und Meinungsverbot“ ausgebreitet.
Gegenüber, auf der anderen Straßenseite, hatte sich eine Gegendemonstration gebildet. Studenten der Humboldt-Universität schwenken in der Sonnenhitze bei 29 Grad hastig gebastelte Plakate mit Aufschriften wie „Nazis raus“ und „Gegen Hass und Hetze“. Maas verteilt Wasserflaschen an sie, bedankt sich für die Unterstützung.
Ein Gespräch mit den Identitären gab es nicht, so Ministeriumssprecher Rülke. Schon als Maas aus dem Ministerium trat, sei ihm „Hau ab!“ entgegengebrüllt worden. Er habe die Rufe ignoriert.
Der Grund für den Sturm aufs Ministerium ist nach Polizeiangaben bislang unklar. Hintergrund könnte das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz sein. Maas hatte am Morgen den Gesetzentwurf im Bundestag eingebracht. Damit will die Bundesregierung die sozialen Netzwerke zwingen, Hass und Hetze im Internet konsequenter zu entfernen.
Ein Post bei Facebook scheint dies zu bestätigen: Dort veröffentlichten die Identitären Fotos von den Protesten. Die Begleitkommentare klangen zufrieden. Man habe ein „starkes Protestsignal gegen die geplante Einschränkung der Meinungsfreiheit“ gesetzt.
Der Sprecher von Minister Maas stellte derweil klar: „Herr Maas wird seine Arbeit völlig unbeeindruckt davon fortsetzen.“