Deutschland diskutiert die Probleme der „Essener Tafel“ auch seit Tagen noch immer heftig. Klar, Kritik ist angebracht. Zweifellos ist es ein Unding, dass deutsche Senioren und Mütter offenbar immer öfter von ausländischen Bedürftigen verdrängt werden. Klar ist jedoch auch, dass eine Reihe von Reaktionen weit über das Ziel hinausschießt.
Dass nun aber sogar Politiker der großen Volksparteien in den Kanon derjenigen einstimmen, die den Essener Helfern Fremdenhass vorwerfen, ist vor allem eines: eine Schande.
Den überzogensten Kommentar hat sich SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach geleistet. In einem Twitterbeitrag schreibt er: „Essener Tafel überzeugt nicht. Hunger ist für jeden gleich. Schade, Ausländerhass sogar bei den Ärmsten angekommen.“ Und die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli, wie Lauterbach von der SPD, verbreitete über Twitter: „Mir läuft es eiskalt den Rücken runter. Essen nur für Deutsche. Migranten ausgeschlossen.“
Erschütternd, wie Sozialdemokraten reagieren
Erschütternd ist, dass ausgerechnet Sozialdemokraten sich derart exponieren. Denn der Schutz der Bedürfnisse von sozial Schwachen gehört zu den politischen Hauptanliegen der SPD, die in den letzten vier Jahren in Berlin die Regierungsverantwortung mitgetragen hat. Zudem sind die mehr als 930 Tafeln, an denen deutschlandweit 60.000 Helfer regelmäßig rund 1,5 Millionen Bedürftige mit dem Nötigsten versorgen, keinesfalls nur ein Zeichen für einen immensen Einsatz Ehrenamtlicher. Sie sind auch ein Symbol für das Versagen des Staates. Denn ganz offensichtlich deckt die Hartz-IV-Grundsicherung bei unglaublich vielen Menschen nicht einmal die wichtigsten Bedürfnisse wie ausreichende Lebensmittelversorgung ab.
Was die Vorwürfe noch ungerechter macht: Migranten sind auch an der Essener Tafel keinesfalls von der Versorgung ausgeschlossen, wie die SPD-Staatssekretärin Chebli glauben machen will. Der Beschluss, keine ausländischen Bedürftigen zu bedienen, gilt laut Tafel-Vorstand nämlich lediglich für Neuregistrierungen. Alle Migranten hingegen, die dort schon registriert sind, können also auch weiterhin Hilfe in Anspruch nehmen.
Auch Merkel macht eine unglückliche Figur
Bundeskanzlerin Angela Merkel macht in dieser Debatte ebenfalls eine unglückliche Figur. Die CDU-Chefin, die erst vor wenigen Tagen wieder ihr Flüchtlings-Credo „Wir schaffen das“ wiederholte, kommentierte den Streit um die Essener Tafel lediglich mit den Worten: „Das ist nicht gut“. Kein Wort über die unverzichtbare Unterstützung der Tausenden Helfer, der am „Tag des Ehrenamts“ sonst immer salbungsvoll gehuldigt wird. Vor allem aber ließ Merkel auch nur den kleinsten Hinweis darauf vermissen, wie man das Problem in Essen lösen könnte.
Das Beklemmendste an diesen Kommentaren ist, dass GroKo-Politiker auf besonders peinliche Art ihre Hilflosigkeit zur Schau stellen, die sie den Schreihälsen am Rand des rechten politischen Spektrums sonst so gerne als platten Populismus vorhalten.